2008 / 2009: Links von Wien

Links von Wien - Planung in der Stadtlandschaft

Während sich Diskussionen über die europäische Stadt und insbesondere Wien meist um den Erhalt des historischen Erscheinungsbildes, um Dachausbauten, leere Lokale und Denkmalschutz drehen, steht die Auseinandersetzung mit der Zwischenstadt, der Stadtlandschaft heute im Hintergrund. Die historische Stadt ist massiv „betreut“, von Gebietsbetreuungen über das Grätzelmanagement bis zu Agenda-Büros – doch an der Peripherie werden die Kommunikationsorte zwischen Politik, Verwaltung und Bevölkerung dünn. Auch wo in der Vergangenheit durchaus groß und diskursiv angelegte Planungsprozesse üblich waren, herrscht mittlerweile die Umsetzungsökonomie vor.

Das Problem beginnt jedoch bereits zuvor, beim weitgehenden Fehlen von großmaßstäblicher Raumordnung in Österreich, bei Zuständigkeitsgrenzen zwischen Staaten, Ländern und Gemeinden, bei verkehrspolitischen Festlegungen, bei Standortentscheidungen wie Wienerberg City, Monte Laa und Rothneusiedl und fehlender Diskussion über Entscheidungen, die die Entwicklung unserer Lebensräume der nächsten Jahrzehnte gravierend beeinflussen.

Der neue Themenschwerpunkt der ÖGFA wird sich mit planerischen und somit politischen Fragen der Zwischenstadt bzw. der Stadtlandschaft, also der besiedelten Gebiete außerhalb der historischen Kernstadt auseinandersetzen. Dabei soll es einerseits um grundsätzliche theoretische und praktische Zugänge gehen, die weit gehend ortsunabhängig sind; es sollen aber auch beispielhafte Konkretisierungen für Wien und sein Umland gemacht werden. Zusätzlich ist der Blick auf interessante und vorbildhafte internationale Modelle geplant.

Der Begriff „Zwischenstadt“ wurde vom deutschen Architekten und Stadtplaner Thomas Sieverts geprägt, der damit ein Wort für diejenigen Gebiete vorschlagen wollte, die weder Stadt noch Land sind, wofür das Ruhrgebiet ein besonders treffendes Beispiel ist. Ihm ging es um einen analytischen Begriff, um Phänomene der Stadtlandschaft beschreiben und somit auch beplanen zu können, weil seiner Ansicht nach PlanerInnen diese Areale unter Begriffen wie „Peripherie“ und „Suburbia“, jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung vor zehn Jahren, grundsätzlich abgelehnt und damit vom Planungsdiskurs ausgeschlossen hätten. Dazu kommt, dass diese Begriffe die funktionalen Verhältnisse nicht mehr adäquat beschreiben, die ehemals peripheren Gebiete werden zunehmend unabhängiger, selbstständiger und bedeutsamer, auch auf Kosten der weiterhin bestehenden so genannten Zentren.

Wir wollen im Rahmen des Themenschwerpunktes herausfinden, wie die Zwischenstadt heute funktioniert und wie in ihr geplant wird; ob das Wiener Umland mit diesem Begriff treffend bezeichnet werden kann; welche Bedeutung dieser Raum besitzt; welche Probleme es in Entwicklung und Nutzung gibt, wer dort Entscheidungen trifft und wie die Bevölkerung in diese Entscheidungen eingebunden ist.

Das Thema gliedert sich in „facts & figures“ über Rahmenbedingungen; in „tools & methods“ über Lösungsansätze; sowie in „practices & examples“ über vorbildhafte internationale Modelle. Der Titel „Links von Wien“ kann dabei auf eine Reihe von Arten verstanden werden, und weitere Interpretationen sind willkommen: entsprechend dem unterrepräsentierten Status des Themas Stadtlandschaft meint er die Gebiete, die von Seiten der städtischen Öffentlichkeit „links liegen gelassen“ werden; außerdem geht es wortwörtlich zu einem großen Teil um die Gebiete „links von Wien“, also links von Kernstadt und Donau, wenn man in Flussrichtung blickt.

Schwerpunkt Kuratierung und Mitarbeit: Christoph Laimer, Maja Lorbek, Robert Temel, Andreas Vass