Urbane Landschaften – Raumkonzepte und Lebensentwürfe im „Weder-Noch“
Detlev Ipsen, D
VortragIn den letzten zwei Jahrzehnten haben sich in ganz Europa und vor allem in Asien zahlreiche Räume so entwickelt, dass man von urbanen Regionen sprechen kann. Während man am Anfang dieser Entwicklung mit Recht von Suburbanisierung sprechen konnte, sich also ein duales Muster von Stadt und Vorstadt entwickelt hat, haben wir es heute mit einem polyzentrischen Modell zu tun, in dem sich verschiedene Kerne und Knoten in einem Netz von Nutzungen und Funktionen herausgebildet haben. Wir bezeichnen dies als urbane Landschaften und betonen damit den engen Zusammenhang von Nutzungsformen, Lebensstilen und kulturellen Mustern auf der einen Seite und der Dynamik der Ökosysteme auf der anderen Seite. Es ist möglich, dass sich in und mit diesen urbanen Landschaften ein neues Muster der europäischen Stadt herausbildet, in dem die Kernstädte nur noch ein Element sind. Wir stellen die Frage, welche Potentiale und Probleme mit diesem Stadttypus verbunden sind, welche Lebensweisen und Nutzungsformen sich hier entwickeln und wie sich dies auf die Zukunftsfähigkeit der urbanen Landschaft auswirkt.
In modernen Städten steht die Funktionalität und die Mobilität von Menschen, Gütern und Informationen nach wie vor im Mittelpunkt. Doch gewinnt in den letzten Jahren die Eigenart von Orten und Landschaften an Bedeutung. In der Konkurrenz um Kapital und qualifizierte Arbeit bestimmen sie die Standorte mehr und mehr. Fragen der Raumwahrnehmung und der Symbole im Raum, die Rolle der Kultur und der Charakter der Landschaft bilden die Grundlage für die Wiederentdeckung der Eigenart von Ort und Landschaft.
Funktionsräume und Fließräume sind ebenso wie Ort und Landschaft integrale Voraussetzung der Lebenswelt. Die Aufgabe der Planung und der ihr vorgelagerten Politik ist zusammenzubringen, was Widerspruch erzeugt. Es geht darum, Energieproduktion und Ortsbildung, Gewerbe und Parkgestaltung, Landwirtschaft und Erholungslandschaft zusammen zu denken. Es geht um die Entdeckung und Gestaltung von Ort und Landschaft „überall“. Es geht darum, das Paradigma der Zonierung hinter sich zu lassen und an simultanen Räumen zu arbeiten. Den Widerspruch zwischen Ortsraum und Fließraum gilt es als eine ästhetische Herausforderung zu begreifen. Simultane Planung erzeugt Konflikte, geht gegen eingefahrene Erfahrungen an. Simultane Planung ist kommunikative Planung, sie benötigt die aktive Teilnahme der Bürgerschaft.
Detlev Ipsen
Professor für Stadt- und Regionalsoziologie an der Universität Kassel. Gastprofessor in Porto Alegre, Brasilien, Forschungsprofessur der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Fellow am Hanse Wissenschaftskolleg. Im Moment arbeitet Detlev Ipsen u.a. an der Frage, welche neuen Landschaften als Folge des gesellschaftlichen und demografischen Wandels entstehen: Kann das Planungskonzept „Urbane Landschaften“ dazu beitragen, Lebensqualität und Ökologie wachsender Städte positiv zu gestalten?
Detlev Ipsen
Ort und Landschaft
Verlag für Sozialwissenschaften:
Wiesbaden 2006
139 Seiten, 32,90 Euro