Heinz Tesar

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Heinz Tesar zählt zu den eher „untypischen“, vielleicht sogar eigensinnigen Stimmen in der Österreichischen Architektur nach 1945 und stellt mit seiner Positionierung als die eines Künstler-Architekten eine Figur dar, die sich selbst außerhalb des bauenden Mainstreams stellt, im Wien des späten 20Jahrhunderts aber zumindest zu einem wiederkehrenden Modell in der Selbstverortung von Architekturschaffenden wird.

Geboren und aufgewachsen in Tirol, studiert Tesar zwischen 1961 und -65 Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Roland Rainer. Ein „Rainer-Schüler“ wird aus ihm deshalb aber nicht – Tesar entwickelt in der Auseinandersetzung vielmehr eine ausgesprochen individuelle Architekturhaltung, der Friedrich Achleitner einmal einen im besten Sinne autodidaktischen Charakter zusprach. Diese Position ist nicht immer einfach zugänglich, weil sie ihre eigenen Themen auf eine intensive poetisch-künstlerische Entwurfsarbeit zurückführt, die zumeist noch einem Raumprogramm oder der Frage der Funktion vorausgeht, von Tesar selbst aber als ein wiederkehrender Bezugspunkt in der Darstellung der Projekte herangezogen wird. Trotz ihrer formalen Konsequenz lässt sich diese Position nicht – oder zumindest nicht einfach – in den späten Kanon einer funktional geprägten Moderne nach 45 einordnen und verschließt sich zugleich den zeitgenössischen Debatten postmoderner Diskurslandschaften; und das, obwohl drei wesentliche Konstanten dieser prägenden Linien der Architektur – Sprache, Zeichnung und Form auch bei Tesar eine wesentliche Rolle zukommt. In Tesars Annäherungen an den Entwurf finden sich Sprache, Zeichnung und Form allerdings verschränkt zu einem „subjektiven Ganzen“, das mittels einer Bildung von „neuen“ Begriffen,[1] einer zeichnerisch-malerischen Suche[2] und in der in Modellen und Objekten gebauten Form, zu „vor- architektonischen“ Themen, zu Archetypen der Gestaltung vorzudringen sucht (Tesar nennt sie auch Homotyen). Dabei umfasst Tesars Werk eine enorme Bandbreite – sie erstreckt sich von kleinmaßstäblichen Möbel- und Objektentwürfen, Innenräumen über Wohnungsbauten, Verwaltungsbauten und Museen bis hin zu großen städtebaulichen Planungen, in der diese poetische Verhältnissetzung von Sprache, Zeichnung und Raum in unterschiedlicher Art und Weise auftaucht.

Ausformulieren kann Tesar seine Herangehensweise vor allem dort, wo dem Raum eine besondere Aufmerksamkeit zuteil wird – im Museumsbau etwa oder im Sakralbau, der eine durchgängige Beschäftigung in dem über fünf Jahrzehnte reichenden gebauten Werk darstellt. Sie reicht von Objektentwürfen und Innenraumneugestaltungen im Zuge der liturgischen Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (beispielsweise die Johannes-Spital-Kirche, Salzburg, die Pfarrkirchen Schleedorf, Nenzing und Satteins), über Kirchenumbauten und -erweiterungen (etwa die Pfarrkirchen in Unternberg, in Kleinarl oder Edelsbach) hin zum Kirchen-Neubau (evangelische Kirche Klosterneuburg oder Wien Donaucity). Augenscheinlich ist dabei einerseits eine intensive Auseinandersetzung mit und Suche nach einem zeitgemäßem Umgang mit dem historischen Bestand – bei dem Tesar keinesfalls die Auseinandersetzung scheut, wie die Entwicklungen um die Pfarrkirche St. Laurentius in Kleinarl zeigen, bei der er sich gegen Denkmalamt und Gutachten überzeugend durchsetzt – andererseits eine besonders im Spätwerk hervortretende Inszenierung des Raumes, die trotz einer Reduktion in Gestaltung, Ausstattung und Material in der architektonischen Wirkung geradezu an den Barock anzuschließen scheint. Zu nennen sind unter diesen Entwürfen etwa die mehrfach ausgezeichnete Kirche in der Donaucity mit ihrer Inszenierung des Innenraumes durch die Lichtführung oder das reduziert gehaltene Generalat der Halleiner Schwestern Franziskanerinnen.

Tesar, der seine Arbeiten an einer Schnittstelle zwischen Objektentwurf, Skulptur, Zeichnung und Begriffsarbeit – zwischen Kunst und Architektur entwickelt, stellt auch die Elemente seiner Entwurfsarbeit – etwa Zeichnungen, die er als „Teil des Arbeitsprozesses, als Vehikel mit einer gewissen Autonomie“ begreift, wiederholt aus: Einzelausstellungen finden etwa früh in der Galerie im Griechenbeisl in Wien 1970 und in den Räumen der ÖGFA 1973, der Galerie im Taxispalast Innsbruck 1979, Scapa Bern 1984, der Architetkurgalerie Luzern 1987 oder der Galerien der University of Syracuse statt. Schon hier wird Tesars internationale Ausrichtung deutlich, die sich auch in seiner beruflichen Beschäftigung in internationalen Wettbewerbsbeiträgen, Lehrtätigkeiten und Auslandsaufenthalten zeigt. Nach Aufenthalten in Hamburg noch vor (59-61), in München unmittelbar nach seinem Studium (65-68) und in Amsterdam (71) eröffnet Tesar sein eigenes Büro 1973 in Wien, nicht aber ohne weiterhin enge Kontakte ins Ausland zu unterhalten; besonders durch eine rege Tätigkeit als Vortragender und Lehrender an Universitäten, etwa in den USA (Cornell University 83, Syracuse University (88), Harvard University (90), University of Minnesota (92)), in Deutschland (TU München 90-91, HfbK Hamburg 97-98, Italien (IUAV 96-00), oder der Schweiz (ETH 85-87 und 04-07, sowie Mendrisio 00-06).

[1] Qecksilbereiklangsalzwassergewäscht gibt Tesar als ein Beispiel für eine Worktkette an, mit der er einen „Ausstellungsbesuch im ägyptischen Museum“ beschreibt. Lisbeth Waechter-Böhm im Gespräch mit Heinz Tesar in: dieselbe und Az W (Hg.): Heinz Tesar – Porträts österreichischer Architekten, Springer, Wien – New York, 1995, S.28

[2] Seine Zeichnungen, Aquarelle und Texarbeiten hält Tesar stets in Notiz-Büchern im Format A6 fest; mehr als 100 solcher Bücher sind seit den 1970er Jahren so entstanden. Vgl.: Brief von Otto Kapfinger an den damaligen Direktor des MAK Thun-Hohenstein vom 5.7.2016

ÖGFA-Bezug

Heinz Tesar ist zwischen 1972 und 1977 Teil des Vorstands der Österreichischen Gesellschaft, ab 1975 in der Rolle des Vorstandsvorsitzenden. Bereits vor dieser Tätigkeit aktiv beim Österreichischen Architekturkongress 1970 im Looshaus, sowie in der Ausstellung Integrierter Städtebau (1971) vertreten, ist Tesar in seiner Vorstandszeit wesentlich am Zustandekommen einiger Ausstellungen beteiligt: die Ausstellung Konfrontationen, die im Mai 1974 einen Querschnitt junger Architekturschaffender aus dem Umfeld der ÖGFA zeigt, richtungsweisende Tendenzen einer Neupositionierung der Wiener Architektur abbildet und zu der auch ein gleichnamiger Katalog erscheint, für den sich Heinz Tesar und Alverà verantwortlich zeichnen; die Ausstellung Helmut Grimmer 1940-75 (gemeinsam mit Vera Grimmer und Hardo Raslagg) und als Teil des kuratorischen Teams die große Ausstellung Österreichische Architektur 1945-76 in der Sezession. Am 17. Juni 2019 findet im Rahmen einer Veranstaltung zu Ehren der Arbeit Heinz Tesars in Baden die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft statt.

(Michael Klein, November 2023)

Werke (Auswahl)

Ausstellungen

Quellen (Auswahl)

2005 Winfried Nerdinger, Heinz Tesar Architektur, Electa, Mailand

Anmerkungen

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