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deutschFriedrich Kurrent
weiterlesen …Gründungsmitglied der ÖGFA
* 10. September 1931, Hintersee (Salzburg)
† 10. Jänner 2022, Wien
o.J. | Gewerbeschule Salzburg | |
o.J. | Studium der Architektur an der Akademie der bildenden Künste, Wien, Meisterklasse Clemens Holzmeister |
1950 | Arbeitsgruppe 4. Bürogründung mit Wilhelm Holzbauer, Otto Leitner und Johannes Spalt | |
1965 | Gründungsmitglied der ÖGFA | |
1973-1996 | Ordinarius des Lehrstuhls für Entwerfen und Raumgestaltung an der Technischen Universität München |
1954 | Theodor-Körner-Preis für Medizin, Naturwissenschaften und Technik | |
1959 | Staatspreis für Architektur als Mitglied der Arbeitsgruppe 4 | |
1967 | Kulturpreis der Stadtgemeinde Kapfenberg | |
1979 | Preis der Stadt Wien für Architektur | |
1997 | Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse | |
1998 | Sonderpreis für „Beispielhaftes Bauen mit Brettschichtholz“ im Rahmen des „Holzbaupreises 1998“ des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums (für die Segenskirche in Aschheim) | |
2000 | Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien | |
2007 | Silbernes Ehrenzeichen des Landes Salzburg | |
2016 | Ehrenbecher des Landes Salzburg |
Bayerische Akademie der Schönen Künste
ÖGFA - Österreichische Gesellschaft für Architektur
Friedrich Kurrents Kindheit war von der kargen Wald- und Forstwirtschaft des engen Tals in Hintersee geprägt. Sein Vater betreute als Maschinen- und Seilbahnschlosser die Seilbahnen für den Holztransport und schmiedete in seiner Werkstatt die Werkzeuge der Knechte. 1941 kam der im Zeichnen begabte Zehnjährige in die Hauptschule nach Salzburg, wo er bei seinen Großeltern im Haus einer Baumeisterfamilie wohnte. In seinen Lebenserinnerungen beschreibt Kurrent die vielen am Dachboden verbrachten Stunden, um die dort gelagerten Baupläne und „ausrangierten Lichtpausen“ des Architekten Martin Knoll zu durchstöbern. In Erinnerung waren ihm aber auch der Salzburger Dom ohne Kuppel und die Sirenen des Fliegeralarms geblieben, die der Schulklasse immer öfter das Signal gaben, den Luftschutzkeller aufzusuchen. Nach Kriegsende wurde Kurrent in die Salzburger Gewerbeschule für das Fach Hochbau aufgenommen, aus Sicht des Heranwachsenden „sicher die härteste aller Schulen“. Leidensgenossen dieses Jahrgangs waren u.a. Otto Leitner, Friedrich Achleitner, Johann Georg Gsteu, Wilhelm Holzbauer und Hans Puchhammer. Nach der Matura zog Kurrent im Herbst 1949 nach Wien zu Verwandten und begann wie seine Freunde Leitner, Puchhammer und Wawrik an der Technischen Hochschule Architektur zu studieren; schon nach wenigen Monaten wechselten Kurrent und Leitner in die Meisterschule Clemens Holzmeister an die Akademie, im Jahr darauf folgten Achleitner, Gsteu und Holzbauer nach. Während des Studiums zeichnete Kurrent im Atelier von Prof. Erich Boltenstern, fallweise bei Architekt Willi Kattus sowie einen Sommer lang in Gmunden im Baumeisterbüro des Vaters seines älteren Studienkollegen Johannes Spalt. Unter dem Namen „arbeitsgruppe 4“ nahmen Holzbauer, Kurrent, Leitner und Spalt schon während des Studiums an Wettbewerben teil. Mit dem Entwurf eines vom russischen Konstruktivismus inspirierten Konzerthauses für Linz schloss Kurrent im Sommer 1952 sein Studium ab. Die arbeitsgruppe 4 bezog ein Atelier in der Fuhrmannsgasse 4 in der Josefstadt und realisierte als ersten Auftrag – nach dem Ausstieg von Otto Leitner bereits nur noch zu dritt – das „Café ¾“ in der Neubaugasse. Die Fuhrmannsgasse wurde zum kulturellen Treffpunkt der Nachkriegsavantgarden, so sei etwa „der schwurfinger. ein lustiges stück“, von Achleitner/Bayer/Rühm/Wiener im Atelier der arbeitsgruppe 4 entstanden. Die Aufbruchstimmung ergriff alle Sparten – so auch die Architektur, so auch die arbeitsgruppe 4. Nach einigen Wettbewerbserfolgen und fruchtlosen Bemühungen, die Trostlosigkeit des Wiener Nachkriegswohnbaus zu durchbrechen, kam im Sommer 1953 auf Vermittlung von Clemens Holzmeister in Salzburg-Parsch der erste größere Bauauftrag zustande – die Transformation eines Bauernhofs in eine Kirche „auf der Höhe der Zeit“. Dieses in konservativen Kreisen damals geschmähte Frühwerk der Gruppe gilt in seiner „kühlen Würde ohne Pathos“ (Achleitner/Gsteu) heute als einer der bedeutendsten Bauten der 1950er Jahre in Salzburg. Das Kolleg St. Josef in Salzburg-Aigen (1961-64) spiegelt in seiner modularen Ordnung bereits die intensiven Begegnungen mit Konrad Wachsmann an der Internationalen Sommerakademie für bildende Kunst 1956-59. Auch mit dem Seelsorgezentrum in Steyr-Ennsleite realisierten Kurrent und Spalt in Projektgemeinschaft mit J. G. Gsteu einen Schlüsselbau des nachkonziliaren Kirchenbaus. Friedrich Kurrent und seine Kollegen haben als junge Architekten aber nicht nur durch die Lehre Wachsmanns wertvolle Impulse empfangen, sondern auch durch die intensive Auseinandersetzung mit der österreichischen Architektur der frühen Moderne, was sich in zahlreichen Bilanzartikeln und Ausstellungen (z.B. "Kirchen unserer Zeit" 1956, "Internationale Theaterbau-Ausstellung" 1961, "Architektur in Wien um 1900" 1964, "Adolf Loos" 1964 u.a.) niederschlug. Mit dem Musikhaus ¾ in der Seilergasse (das ebenfalls längst nicht mehr existiert) realisierten Kurrent und Spalt Ende der 1950er Jahre ein Geschäftslokal, das mit einfachsten Mitteln (die Möbel, Pulte und Regale bestanden aus geknickten Hartfaserplatten und waren in den Farben Rot, Blau und Weiß gestrichen) Weltläufigkeit ausstrahlte.
Die Unzufriedenheit mit der kleingeistigen Architektur der Nachkriegszeit und der allgemeinen Ignoranz gegenüber dem baulichen Erbe von Otto Wagner, Adolf Loos und Josef Frank führte in den 1960er-Jahren immer wieder zu heftiger Kritik, zu Protesten und Rettungsaktionen; Kurrent betätigte sich fallweise sogar als Architekturkritiker in der Kronenzeitung. Als Assistent von Ernst A. Plischke an der Akademie hatte Kurrent Ende der 1960er Jahre erste Erfahrungen in der Lehre gesammelt. Im Herbst 1973 – die arbeitsgruppe 4 hatte sich bereits aufgelöst – wurde er an die TU München berufen, wo er als Nachfolger von Johannes Ludwig den Lehrstuhl für „Entwerfen und Raumgestaltung“ und später auch den „Sakralbau“ übernahm. Die an der TU entstandenen Raummodelle z.B. von Wohnhäusern von Adolf Loos wurden zu Exponaten in Wanderausstellungen und wurden in Katalogen veröffentlicht. In den 198oer Jahren konzipierte Kurrent eine Reihe von monografischen Werkschauen in der Villa Stuck, so etwa über Adolf Loos, Rudolph Schindler, Josef Plecnik und Lois Welzenbacher. Für die eigene Baupraxis blieb dem emphatischen Architekturlehrer, Kulturkämpfer und Qualitätsvermittler in diesen Dekaden wenig Raum. „Viel ist es nicht, was ich bauen konnte. Nur einige Häuser, Kirchen und dergleichen“, meinte Kurrent lapidar. Während die evangelische Holzkirche in Aschheim in Bayern im Jahr seiner Emeritierung Gestalt annahm, blieb die Synagoge auf dem Schmerlingplatz – Kurrents Herzensprojekt nach seiner Rückkehr nach Wien – Entwurf. Vielen seiner Freunde und Kolleginnen gilt die für seine verstorbene Frau Maria Biljan-Bilger im eigenen Auftrag errichtete Ausstellungshalle in Sommerein als sein reichstes Vermächtnis.
Mit kaum einem anderen Namen ist die ÖGFA enger verbunden. Friedrich Kurrent war 1965 Gründungsmitglied der ÖGFA und hat die Entstehungsgeschichte des Vereins anlässlich des 40-jährigen Bestehens aus seiner Perspektive detailliert geschildert (siehe Link). Kurrent, der für seinen hohen Architekturanspruch, für seine Beständigkeit und Hartnäckigkeit geschätzt (und vielleicht auch gefürchtet) war, hat bei fast allen kritischen Stellungsnahmen und Aktivitäten der ÖGFA entweder die Fäden gezogen oder tatkräftig mitgewirkt. Auch während seiner Münchner Zeit (1973-96) blieb er der ÖGFA fernverbunden und meldete sich in „dringenden Fällen“ verlässlich zu Wort. Für die ÖGFA war es deshalb ebenso ehrenvoll wie selbstverständlich, als Herausgeberin seiner Schriften, die er in mehreren Bänden nach seiner Emeritierung herausgab, zu fungieren. Im Hinblick auf beherztes Engagement und fachliche Unbestechlichkeit bleibt Friedrich Kurrent der ÖGFA ein anhaltendes Vorbild.
(gk, 5.11.2023)
1953-1956 | Parscher Pfarrkirche Zum kostbaren Blut, Salzburg, gemeinsam mit Arbeitsgruppe 4 | |
1961 | Seelsorgezentrum Ennsleite, Steyr, gemeinsam mit Arbeitsgruppe 4 und Johann Georg Gsteu | |
1961-1964 | Kolleg Sankt Josef, Salzburg-Aigen, gemeinsam mit Arbeitsgruppe 4 | |
1974 | Zentralsparkasse Floridsdorf, Wien (Umbau und Erweiterung), gemeinsam mit Johannes Spalt | |
1978 | Neues Bauen in alter Umgebung, gemeinsam mit der Neuen Sammlung München (Ausstellung) | |
1987 | Wohnhaus Nobilegasse, Wien | |
1987-1989 | Kino Liliom, Augsburg | |
1991 | Bergkapelle, Ramingstein | |
1995 | Wohnturm, Krems an der Donau | |
1997 | Evangelische Segenskirche, Aschheim | |
1998 | Katholische Pfarrkirche Sankt Laurentius, Kirchham | |
2004 | Marija Biljan-Bilger Ausstellungshalle und Privathaus, Sommerein | |
2008 | Synagoge am Schmelingplatz, Wien (Entwurf) | |
o.J. | Adolf Loos in München, in der Albertina in Wien und Sevilla (Ausstellung) | |
o.J. | Joseph Plecnik, Lois Welzenbacher und Hans Döllgast in München (Ausstellung) |
PUBLIKATIONEN (Auswahl)
1986 | Clemens Holzmeister. In: Baumeister. 3/1986. S. 60–62. | |
1984 | Johannes Ludwig. Bauten, Projekte, Möbel., Friedrich Kurrent (Hrsg.), Ausstellungskatalog TU München, München | |
1987 | Joseph Urban: Vom Baumeister zum Bühnenausstatter. In: Bauwelt: Architekturtourismus. 48/1987, S. 1831–1832 | |
1987 | mit J. Stabenow, G. Fahr-Becker: Jože Plečnik. Architekt 1872–1957. Callwey, München. Katalog zur Ausstellung Villa Stuck München und Wien Kultur. | |
1991 | mit A. S. Levetus, Alice Strobl, B. Zuckerkandl: Das Palais Stoclet in Brüssel von Josef Hofmann, mit dem berühmten Fries von Gustav Klimt. Welz, Salzburg | |
1998 | mit Sepp Horn, Michael Weidlein: Adolf Loos 1870–1933, 40 Wohnhäuser. Adolf Loos 1870–1933, 40 Houses. Pustet, Salzburg | |
2001 | mit Scarlet Munding: Friedrich Kurrent – Einige Häuser, Kirchen und dergleichen. Pustet, Salzburg | |
2003 | Ernst Anton Plischke, Architekt und Lehrer. Pustet, Salzburg | |
2006 | mit Gabriele Kaiser: Friedrich Kurrent – Texte zur Architektur. Pustet, Salzburg | |
2010 | mit Gabriele Kaiser: Friedrich Kurrent – Aufrufe, Zurufe, Nachrufe. müry salzmann, Salzburg | |
2010 | Friedrich Kurrent / Eva Rubin: Roland Rainer & Maria Biljan-Bilger. Hg. von Verein der Freunde der Maria Biljan-Bilger Ausstellungshalle Sommerein. Salzburg: Müry Salzmann Verlag | |
2012 | Mehr und mehr komme ich mit weniger und weniger zurecht | |
2016 | Einige Projekte, Architekturtexte und dergleichen, kommentierte Werkgeschichte der arbeitsgruppe 4 | |
2020 | Friedrich Kurrent: Drei Deka Germ. (Hrsg. v. Erich Klein, Anton Kurz, Ortrun Veichtlbauer) Edition Thurnhof, Horn |
2015, Schenkung Friedrich Kurrents an das Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien: 55 Reiseskizzenbücher aus 55 Jahren (1956–2011)
Beiträge von Friedrich Kurrent im UM_BAU
Frank und Frei Die Rettung des Hauses Wittgenstein |