50 Jahre Wachstumskritik
Podiumsdiskussionmit Rudolf Kohoutek, Gottfried Pirhofer (angefragt), Brigitte Redl, Fritz Waclawek, Respondenz: Kollektiv AKT, Marie-Theres Okresek / bauchplan,
weiterlesen …Mit dem UmBau ist es wie mit einem alten Bekannten, dem man nach Jahren wieder begegnet. Äußerlich und im Grundsätzlichen hat er sich wenig verändert. Der UmBau will Hintergründe und Zusammenhänge aufzeigen. Er nimmt Stellung zu aktuellen Fragen der Architektur und der Stadtgestaltung, wobei er sich nicht für die Verbreitung oder Durchsetzung formaler Codes interessiert, sondern für die fächerübergreifende Reflexion. Der UmBau vertraut auf die kritische Präzision der Sprache und setzt das Bild nicht als Blickfang ein, sondern nur dort, wo es das Verständnis erleichtert.
Freilich steht auch der UmBau nicht außerhalb der Trends der Architekturreflexion, deren Schwerpunkt sich in den letzten Jahren deutlich verlagert hat. Bei seiner Gründung 1979 verstand sich der UmBau als Medium einer spezifisch österreichischen oder zumindest dem deutschen Sprachraum verpflichteten Theoriebildung. Die Auseinandersetzung mit der deutschen und österreichischen Nachkriegsgeschichte, mit den Folgen des Nationalsozialismus, den abgerissenen Traditionssträngen der Moderne in Österreich und in den angrenzenden Nachbarländern des damaligen Ostblocks bildete neben der Diskussion aktueller Fragen einen durchgängigen inhaltlichen Schwerpunkt.
Diese Themen haben angesichts der politischen Situation in Österreich und der bevorstehenden Osterweiterung der Europäischen Union zwar nicht an Brisanz verloren. Eine heimlich an sie geknüpfte Hoffnung ist jedoch obsolet geworden: Aus regionalen Spezifika eine Identität zu konstruieren, die sich der fortschreitenden globalen Kreuzung von Lebensstilen entgegensetzt. Das Experimentierlabor der heutigen architektonischen Avantgarde ist die ganze Welt. Das Regionale wird in diesem Labor nicht mehr als etwas Vorgefundenes akzeptiert, sondern bei Bedarf als hypothetische Wirklichkeitsschicht konstruiert.
Die Architekturtheorie erhält damit neue Aufgaben in einem globalen Diskurs. Es ist kein Zufall, dass in dieser- wie schon in der letzten Ausgabe des UmBau- ein englischsprachiger Beitrag am Anfang steht. Georges Teyssot, aus Frankreich stammender und an amerikanischen Universitäten unterrichtender Kunsthistoriker, scheint ein klassisches architektonisches Thema abzuhandeln: Das Trennen und Verbinden von Innen- und Außenraum. Ausgehend von Benjamin, Deleuze und Heidegger entwickelt Teyssot daraus ein weit über die Architektur hinausreichendes Netzwerk von Assoziationen, dass von der Etymologie der Schwelle als Zone zeremonieller Bewegung über die reine Innenwelt der Passagen, die Benjamin als „fensterlose“ Häuser faszinieren, bis zu den totalen Spiegelwelten des Barock und zu Dan Grahams Videoinstallationen führt. Teyssots Text ist repräsentativ für eine Architekturtheorie, deren Nutzen für die Architekturpraxis vor allem darin besteht, Selbstverständliches fragwürdig zu machen.
Aber ist die an Verunsicherungen auch sonst nicht arme Praxis daran überhaupt interessiert? Ist sie nicht vollends damit ausgelastet, mit der technologischen und ökonomischen Entwicklung Schritt zu halten? Beim Symposium über die „Zukunft von Architekturstudium und Beruf“, dem der zweite Schwerpunkt des vorliegenden Hefts gewidmet ist, wurde bei der Suche nach Leitbildern für eine zeitgemäße ArchitektInnenausbildung nicht zuletzt diese Frage zur Diskussion gestellt.
Im dritten Schwerpunkt des Hefts geht es um den Umgang mit Baudenkmälern der Moderne. Auf den allgemeinen Beitrag von Ákos Moranvánszky über Denkmalwerte und die Zeitlichkeit der Architektur folgen vier Berichte über exemplarische Sanierungen. Den Abschluss bildet die Vorgeschichte einer Sanierung aus der Perspektive zweier Beteiligter: Die Rettung des Hauses Wittgenstein, von Friedrich Kurrent und Bernhard Leitner in zwei unabhängigen Beiträgen erzählt als Sittenbild Wiens in den späten sechziger Jahren.
Die Ergebnisse des Wilhelm Schütte-Forschungsstipendiums, das die ÖGFA 1997 zum Thema Schulbau ausgeschrieben hat, bilden den abschließenden Schwerpunkt. Maja Lorbek, Gerhild Stosch und Peter Nageler stoßen bei der kritischen Untersuchung des Schulbaus nach dem zweiten Weltkrieg auf nicht weiter verfolgte Experimente der siebziger Jahre, denen sie ein höheres Entwicklungspotential zumessen, als den zwar formal ambitionierten, typologisch aber kaum innovativen Beiträgen der neunziger Jahre. Wojciech Czaja, Walter Kaiser und Natalie Schellander haben Volksschulkindern die Möglichkeit gegeben, ihre Vorstellungen vom idealen Schulhaus bildlich und sprachlich zu artikulieren- ein lohnender Dialog, der Sehnsüchte und Ängste jenseits von Klischees sichtbar macht.
UmBau 17
Österreichische Gesellschaft für Architektur (Hrsg.)
Verlag REMAprint Druck- und Verlagsgesellschaft, Wien 2000
160 Seiten, mit SW- Abbildungen
Preis € 19,95
ISSN 0256-2529
Sprache deutsch
mit Rudolf Kohoutek, Gottfried Pirhofer (angefragt), Brigitte Redl, Fritz Waclawek, Respondenz: Kollektiv AKT, Marie-Theres Okresek / bauchplan,
weiterlesen …