Räume der IG Architektur, Gumpendorfer Straße 63b, 1060 Wien
2014: Anlassfall Nachkriegsmoderne
Kuratiert von:
Elise Feiersinger, Iris Meder und Andreas Vass
Während die Stadt zumindest in sozialpolitischer Hinsicht mit dem Wohnbauprogramm des Roten Wien innerhalb der Moderne noch eine führende Rolle behaupten konnte, stellt die Zeit der Weltwirtschaftskrise und des Austrofaschismus für die Dichte der im europäischen Vergleich bedeutenden Wiener Bauten einen Bruch dar, der bis heute nachwirkt. Die Periode des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, des Wirtschaftsaufschwungs und der wiedererlangten internationalen Bedeutung Wiens in den 1970er und 1980er Jahren war durch eine strikte Teilung des Baugeschehens geprägt: Einem pragmatisch dem jeweiligen lokalen Zeitgeschmack angepassten Bauen, das die große Masse bestimmte, standen scheinbar unvermittelt einzelne Exponent_innen gegenüber, die teils eine bewusste Anknüpfung an die Wiener Moderne suchten, teils an deren historischer Aufarbeitung und Aktualisierung arbeiteten, den Aufschluss zum aktuellen Mainstream der Moderne anstrebten oder spezifische Wiener Positionen einer kritischen Avantgarde definierten. Ihre Realisierungschancen blieben bis auf wenige Ausnahmen limitiert.
Da diese Spaltung seit Beginn des Immobilienbooms Anfang der 1990er Jahre weitgehend aufgelöst wurde und zielgruppengerechten Architekturerwartungen seitens der Wohnbauträger sowie den Facetten formal mehr oder weniger anspruchsvoll gebrandeter Investorenarchitektur
Platz gemacht hat, stellen die Zeugen dieses zweigleisigen Stadtumbaus und -wachstums zwischen 1945 und 1995 eine historische Schicht dar, die sich im Gedächtnis der Stadt abgesetzt hat. Der mit persönlichen Erinnerungen vermengte Rückblick auf diese Architektur und die historische Distanz lassen dabei die ehemals scharfe Trennung teilweise verschwimmen. So werden die Großwohnbauten eines Harry Glück oder eines Viktor Hufnagl heute in einem anderen Kontext diskutiert als zu ihrer Entstehungszeit.
Die Zukunft dieser Zeitschicht der Stadt scheint aber mehr als ungewiss. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass trotz gestiegener Sensibilisierung kulturell interessierter Kreise, trotz Protesten seitens der Fachöffentlichkeit, nicht einmal herausragende und prominente Bauten wie Anton Schweighofers „Stadt des Kindes“ vor einem Teilabbruch sicher sind. Dass einmalige Zeugen einer modernen Haltung, wie das Wohnhaus des Architekten Karl Schwanzer, über Nacht und fast unbeachtet von der Öffentlichkeit aus dem Bestand der Stadt verschwinden können, ohne zu sichtbaren Anzeichen eines Umdenkens seitens der für den Schutz dieses wertvollen kulturellen Bestands zuständigen Behörden zu führen, war einer der Anlässe zu dieser Herbstreihe der ÖGfA. Die Veranstaltungsreihe soll diesem inakzeptablen, aber beharrlichen Status Quo auf den Grund gehen und aufzeigen, inwiefern andere Städte und Länder hier vorbildhaft wirken können.
Text: Andreas Vass
Räume der IG Architektur, Gumpendorfer Straße 63b, 1060 Wien
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Centro Culturale Don Orione Artigianelli (Sala Tiziano), Dorsoduro 919 Venezia