Anlassfall Nachkriegsmoderne_Unerwünschte Erbschaft - Denkmalpflege und Nachkriegsmoderne in der Slowakei
VortragUnerwünschte Erbschaft
Denkmalpflege und Nachkriegsmoderne in der Slowakei
In den 1960er Jahren entstand in der Slowakei eine Reihe außergewöhnlicher Bauten. Heute werden sie auch vom internationalen Fachpublikum hoch geschätzt und von einer wachsenden interessierten Öffentlichkeit bewundert.
2010 machte Rem Koolhaas auf den aktuellen Widerspruch zwischen den Tendenzen, immer mehr historische Architektur denkmalpflegerisch zu schützen, und Werke der Nachkriegsmoderne zu eliminieren, aufmerksam. Im Zusammenhang mit dem Thema der diesjährigen Architekturbiennale – Absorbing modernity – ließ Kurator Koolhaas vernehmen, die Absorption der Moderne sei nicht als glückliche zu verstehen, sondern eher so, wie der Boxer einen Schlag seines Gegners absorbiert. Diese widersprüchliche Absorption sowie der Denkmalschutz der Spätmoderne sind besonders interessant in postsozialistischen Ländern wie der Slowakei, wo die Nachkriegsmoderne eng mit dem kommunistischen Regime verbunden war.
Die Architektur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist dort noch immer negativ konnotiert, auch wenn die Fachwelt die 1960er Jahre als die goldene Ära der slowakischen Architektur bezeichnet. Die slowakische Gesellschaft erlebte eine Periode ökonomischen Wachstums, nationaler Emanzipation und gesellschaftlicher Wiedergeburt, was sich auch in der Architektur niederschlug. In dieser Zeit entstand eine Reihe außergewöhnlicher Bauten. Nur eines dieser Gebäude ist denkmalgeschützt – das Krematorium in Bratislava (Ferdinand MIlučký 1968). Warum ist das so? Liegt es am Scheitern lokaler Denkmalämter, dem fehlenden gesellschaftlichen Konsens oder einer allgemeinen Ablehnung der Moderne? Anhand zentraler Beispiele der slowakischen Nachkriegsmoderne soll versucht werden, diese Fragen zu beantworten.
Text: Henriette Moravčíková
Vortrag:
Henrieta Moravčíková
Leiterin der Architektur-Abteilung am Institut für Bauwesen und Architektur der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Bratislava, Professur an der Fakultät für Architektur der Slowakischen Technischen Universität in Bratislava, Vorstand der slowakischen Landesgruppe von DOCOMOMO International. Forscht zu Architektur des 20. und des 21. Jahrhunderts. U. a. verfasste sie „20th Century Architecture in Slovakia“ (2002) und brachte den ersten Gesamtüberblick über slowakische Architektur heraus: „Architecture in Slovakia: A Concise History“ (2005). Ihr jüngstes Buch „Modern and/or Totalitarian in the Architecture of the 20th Century in Slovakia“ erschien 2013 bei Slovart in Bratislava.