Die Erfindung eines Gegenstandes. Wiener Stadterneuerung 1970 bis 2005

Die Paradigmen und Prioritäten der Wiener Stadterneuerung als international herausragende Praxis des Umgangs mit historischer Stadtsubstanz haben sich seit Beginn der 1970er Jahre mehrfach verändert und erweitert. Mit der Wiener Stadterneuerung wurde frühzeitig ein neues Feld zwischen hoheitsstaatlicher Regelungsplanung, gefördertem Wohnbau, sozialen Diensten, kommunalen Baumaßnahmen und lokaler Kulturpolitik eröffnet: Etablierung einer Querschnittsmaterie, Public Private Partnership, Beginn des Managements komplexer städtischer Prozesse, Gebietsbetreuung, Partizipation der Betroffenen auf der einen, Mobilisierung von privatem Kapital auf der anderen Seite, zunehmende Aneignung und Benützung öffentlicher Räume und Dächer.

Der Einbruch eines neuen Immobilieninvestments und der Eintritt Wiens wie jeder anderen größeren Stadt in das globale Standort-Paradigma haben die ökonomischen, sozialen und stadtkulturellen Rahmenbedingungen verändert: Wird künftig Stadterneuerung zum Gefäß bzw. Instrument für diese Strömungen? Wird es in Zukunft nicht mehr eine einzige, „sanfte Stadterneuerung“ geben, sondern eine Kaskade sich überlagernder, überstürzender Stadterneuerungen im Plural? Wird man künftig eher von „Stadtumbau“ als von „Stadterneuerung“ sprechen? Neben Lotungen im Archiv der Stadterneuerung und einem Exkurs zur „Sanftheit“ wird auch über Ottakring gesprochen werden, den realen und mythischen Ursprungsort der Wiener Stadterneuerung, und seine Erweiterung nach Soho, aber ebenso über Meidling oder die Brigittenau. Und nicht zuletzt über Stadterneuerung als spezifischen Zweig innerstädtischer Architektur: Aneignung, Modernisierung, Verfremdung der Stadt?

Rudolf Kohoutek
1941 geboren in Wien, Architekturstudium, freiberuflich tätig in Wien. Seit 1966 Forschungsarbeiten und Publikationen selbständig bzw. Arbeit in wechselnden Teams zu Architektur, Bau­trägern, Stadterneuerung, neuen Kultur­formen, Geschichte des bürgerlichen Wohnens, Wohnungs­markt, Wohnungspolitik und Wohnkultur, Konzepte und Beratung zur Stadtentwicklung über der Donau, Konzept Wege und Orte, Identität von Stadterweiterungsgebieten, Kulturprojekte, Knowledge Base Vienna, Instrumente der Stadtplanung, temporäre Nutzungen, Wiener Gründerzeit, Stadtbild und Raumfiguren, Evaluierung Kabelwerk (im Auftrag von Instituten, Ministerien, der Stadt Wien und Privaten).