Christian Illies: Architektur als Zeit-Kunst
VortragDas Zaubergewebe einer Symphonie öffnet sich uns nur in der Zeit; Musik scheint die Kunstform der Zeit schlechthin.
„Das Wesen der architektonischen Schöpfung“, so August Schmarsow 1893, scheint dagegen „die Raumgestaltung“. Um Zeit geht es dabei nicht, oder soll es sogar nicht gehen: Der International Style (verbündet mit Le Corbusier und dem Bauhaus) sah es geradezu als heilige Pflicht, ort- und zeitlos zu bauen. Man meinte, mit einer fast absoluten Formsprache die Geschichte der Stile wie alle sozialen und regionalen Bezüge und Ungleichheiten überwunden zu haben.
Aber beim genauen Blick bleiben alle Bauwerke, ihre Formen und leitenden Ideen tief in ihrer Zeit stecken. Da unterscheidet sich die Internationale Moderne nicht von wilhelminischen Geschichtskollagen oder Wiener Jugendstil.
Schlimmer noch, gerade die vermeintlich zeitlose Architektur versagt oft völlig, wenn es um einen qualitätsvollen Umgang mit der Zeit geht. Denn gute Bauwerke sind Zeit-Kunstwerke, die die Zeit bedenken und sich wie Musik in ihr öffnen. Der Abend soll dazu dienen, Architektur als Zeitkunst anschaulich zu machen. Text: Christian Illies
Prof. Christian Illies, seit 2008 Lehrstuhl für praktische Philosophie in Bamberg, zuvor Hochschulassistent in Essen, verschiedene Gastprofessuren, u.a. in Eindhoven und Delft. Arbeitsschwerpunkte Ethik, Philosophie der Biologie, philosophische Anthropologie und Philosophie der Architektur