Sonja Dümpelmann: Die Stadt als Wald und der Wald als Stadt
VortragEine Diskussion verschiedener Versuche seit dem 19. Jahrhundert, Städte in Wälder und Obstgärten zu verwandeln.
Der Vortrag kontextualisiert damit die vielfältigen heutigen Stadtbaumaktionen sowie Initiativen zur urbanen Land- und Forstwirtschaft, die das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung verfolgen, bei der Natur und soziale Kontakte in der Stadt kultiviert werden. Unter dem Deckmantel der „Natur“ wird in der Stadt sowohl produziert als auch konsumiert. Bäume – oft für ihren urbanen Standort gezüchtet – werden zu einer „natürlichen” Ressource, die nicht nur klimatologische und ästhetische Werte, sondern auch Nahrung, Material und Lebensraum für Tiere bietet. Der Ausdruck „urban forestry,“ der seit den 1960er Jahren einen spezialisierten Zweig der Forstwirtschaft beschreibt, wurde zunächst als Oxymoron verstanden. Wie dieser Vortrag zeigen soll, wurden Bäume als Stellvertreter der Natur in der Stadt aber bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts auch als Teil einer städtischen Kultur verstanden, der sowohl reaktionäre als auch progressive Ideologien zugrunde liegen konnten. So lag der Baumpflanzästhetik mitunter reaktionäres Gedankengut zugrunde während die Pflanzungen im allgemeinen meist durch ein progressives öffentliches Gesundheitswesen gefördert wurden. Zudem spielten Stadtbaumpflanzungen für die Emanzipation von Frauen und anderen Bevölkerungsgruppen eine große Rolle. Text: Sonja Dümpelmann
Sonja Dümpelmann ist Landschaftshistorikerin und Associate Professor of Landscape Architecture an der Harvard University Graduate School of Design. Sie ist Autorin und Herausgeberin zahlreicher Bücher, u.a.: Seeing Trees: A History of Street Trees in New York City and Berlin (Yale University Press, 2019); Flights of Imagination: Aviation, Landscape, Design (University of Virginia Press, 2014; John Brinkerhoff Jackson Book Prize, 2015); Women, Modernity, and Landscape Architecture (hrsg. mit John Beardsley, Routledge, 2015).