Architekturtage Film Special: Oscar Niemeyer - Das Leben ist ein Hauch, BR 2007
ArchitekturtageOscar Niemeyer: Das Leben ist ein Hauch
BR 2007, Original mit deutschen Untertiteln, (85')
Regie: Fabiano Maciel und Sacha
Musik: João Donato
Im Verleih der Edition Salzgeber, www.salzgeber.at
„Es ist ja bekannt, dass Oscar Niemeyer den Kapitalismus hasst, genauso wie den rechten Winkel. Gegen den rechten Winkel, der den Raum einschränkt, hat er eine Architektur entworfen, die leicht wie eine Wolke ist, frei und sinnlich, sehr ähnlich den Bergen von Rio de Janeiro, die liegenden Frauenkörpern gleichen, erschaffen von Gott an dem Tag, als er sich für Niemeyer hielt.“ Eduardo Galeano
Oscar Niemeyer ist der letzte noch lebende Vertreter der klassischen Architektur-Moderne des letzten Jahrhunderts. Entstanden 2007 zu seinem 100. Geburtstag lässt der Dokumentarfilm OSCAR NIEMEYER – DAS LEBEN IST EIN HAUCH den Stararchitekten selbst die Geschichte seiner großen Bauprojekte erzählen. Wegbegleiter wie der Schriftsteller José Saramago, der Liedermacher Chico Buarque oder der Historiker Eric Hobsbawn äußern sich über den Architekten und sein Werk. Der Original-Soundtrack stammt vom legendären Bossa-Nova-Pianisten João Donato.
Oscar Niemeyer hat in der modernen Architektur revolutionäre Veränderungen initiiert – seine Erweiterungen der Baupraxis u.a. durch die Verwendung von Stahlbeton sind legendär. Außerdem ist der Architekt auch mit über hundert Jahren immer noch eine der wichtigsten intellektuellen Stimmen seines Landes, ein Künstler, der sich zeitlebens für die Verbesserung des menschlichen Zusammenlebens engagiert hat. Seine Bauten repräsentieren weltweit die Kultur Brasiliens – und sind selbst maßgeblich durch das brasilianische Volk und die brasilianische Landschaft geprägt.
Der in über zehnjähriger Arbeit entstandene Dokumentarfilm besucht die verschiedenen Stationen der Karriere von Oscar Niemeyer, folgt der Spur seiner Bauwerke von Rio und Belo Horizonte über São Paulo, Paris, bis nach New York und Niterói. Und er besucht natürlich auch die brasilianische Hauptstadt Brasília, die nach Niemeyers Plänen zwischen 1956 und 1960 im bis dahin kaum erschlossenen brasilianischen Hinterland entstand. Das Bauhaus nannte Niemeyer ein starres „Paradies der Mittelmäßigkeit“. Er hielt es eher mit seinem Lehrer Le Corbusier, der Architektur als Erfindung definierte. Die Funktion sollte der immer wieder neuen, überraschenden Form folgen und nicht umgekehrt. Einfach, klug, direkt und schelmisch gibt Niemeyer seine Lebensund Arbeitsweisheiten preis und lobt die Kurve als vollkommene architektonische Form.
OSCAR NIEMEYER
Am 15. Dezember 2009 wird Oscar Niemeyer, sicherlich einer der originellsten und einflussreichsten Architekten überhaupt, 102 Jahre alt. Er arbeitet immer noch. Der 1907 in Rio de Janeiro geborene Architekt wurde als Student stark von Le Corbusiers Stadtplanungsvisionen und dessen „Fünf Punkten“ zur modernen Architektur beeinflusst. Der erste größere Wettbewerbsentwurf von Niemeyer, das Bildungsministerium in Rio (1937, heute als „Kulturpalast“ bekannt), zeigt diesen Einfluss deutlich. Aber schon in den 1940er Jahren macht sich eine Unabhängigkeit und Originalität in den Entwürfen bemerkbar, vor allem bei seinen Bauten im Belo-Horizonte-Vorort Pampulha: eine brasilianische Variante der Corbusier-Ästhetik, mit geschwungenen Formen, Rampen und Stützpfeilern, die der Architektur ihrer Zeit weit voraus war. 1956 überredete der gerade gewählte Präsident Brasiliens Juscelino Kubitschek Niemeyer, zusammen mit Lucio Costa die neue Landeshauptstadt Brasília zu planen. Niemeyer gelang es, mit einer Serie von öffentlichen Gebäuden regelrechte Architektur-Ikonen zu erschaffen, die einer staunenden Weltöffentlichkeit ein modernes Brasilien vorführten. „50 Jahre in 5 Jahren“ war der Slogan, und tatsächlich konnte Brasília nach nur fünf Jahren Bauzeit eingeweiht werden. War Niemeyers Karriere bis dahin mit der Modernisierungsgeschichte seines Landes verbunden, wurde sie durch den Militärputsch von 1964 jäh unterbrochen. Der Architekt profitierte von seinem internationalen Star-Ruhm und blieb als überzeugter Kommunist vom Militärregime unbehelligt. Wie viele seiner Landsleute verließ Niemeyer schließlich doch seine Heimat und ging nach Nordafrika und Europa. Auch dort war er mit seinem Konzept einer sinnlichen, brasilianischen Moderne erfolgreich und setzte u.a. mit dem Entwurf der Universität von Constantine (Algier), des Hauptsitzes der kommunistischen Partei Frankreichs (Paris) und des Verlagshauses Mondadori (Mailand) seine Arbeit fort. Nach dem Ende der Militärdiktatur und der Generalamnestie von 1979 ging Niemeyer 1982 nach Brasilien zurück. Obwohl er bereits in einem Alter war, in dem andere in den Ruhestand gehen, erlebte seine Karriere einen ungebrochenen Verlauf. Spektakulär erhebt sich das Museum of Modern Art in Niterói gegenüber von Rio de Janeiro, auf der anderen Seite der Guanabara-Bucht, wie eine fliegende Untertasse über einen Berghang. Das Oscar-Niemeyer-Museum in Curitiba ist in Form eines
riesigen Auges gestaltet.
Architekturtage Film Special ist eine Kooperation der Architekturtage Wien-Bratislava mit dem Top Kino Wien. Kuratierung: Bruno Batinic, Top Kino.