Luigi Blau * 03.01.1945, Mistelbach, aufgewachsen in Wien † 20.08.2023
Ausbildung
o.J.
Matura in Wien
1966-1973
Studium der Architektur an der Akademie der bildenden Künste, Meisterklasse Ernst A. Plischke
Auszeichnungen
1993
Preis der Stadt Wien für Architektur
2008
Ernst A. Plischke Preis
Mitgliedschaften
1985-1991
Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Architektur
Vita
Bereits als Schüler am Realgymnasium Schottenbastei lernte Luigi Blau – angeregt durch den Kunsterzieher Peter Pichl – die Künstler des Art Club und die Dichter der Wiener Gruppe kennen. In diesem produktiv rebellischen Milieu der Wiener Nachkriegsavantgarden wurden vor allem Kurt Moldovan, Gerhard Rühm und H. C. Artmann, aber auch die Architekten der arbeitsgruppe 4 wichtige Bezugsgrößen. Bald waren die Leseempfehlungen im Café Hawelka für den Heranwachsenden ebenso verlockend wie die Schätze der Bibliothek in der elterlichen Wohnung am Wiener Graben. 1966 begann Luigi Blau sein Architekturstudium in der Meisterschule Ernst A. Plischke an der Akademie der bildenden Künste. Einige seiner früh gewonnenen Künstler-Freunde wurden erste Bauherren – darunter André Heller, Helmut Klewan und Kurt Moldowan. Im Abschlusszeugnis der Akademie konstatiert Plischke 1973, dass Herr Blau – „intelligent und gebildet“ – in einer „selten guten Beziehung zur Wiener Tradition“ stehe und „seinen Platz in der Architektur“ gewiss finden werde.
Blau realisierte ab den 1970er-Jahren in einer eigenständigen Weiterentwicklung der Wiener und europäischen Moderne (die auch eine profunde Auseinandersetzung mit den Entwürfen Plischkes miteinschloss) erste Wohnhäuser, Interieurs, Geschäftslokale und Möbel, die wie Otto Kapfinger feststellte, „nach wie vor zum Besten zählen, was damals entstehen konnte“. Zu den frühen Beispielen einer ironisch verfeinerten Wohnkultur zählt der 1974/1975 für sich selbst umgebaute „Wohnturm in vier Ebenen“ in Wien-Alsergrund. Über das spielerische Weitertreiben des Raumplans schrieb Luigi Blau: „Die räumlichen Kompositionen von Baillie Scott, Loos, Strnad, Frank, Plischke etc. habe ich immer bewundert. Das Modell von Plischkes Haus Peter von 1936 stand zu jener Zeit in meinem Atelier, und ich versuchte an die Höhepunkte des räumlichen Planens, wie sie in Wien um 1930 gedacht wurden, in diesem Raum anzuschließen. Mein Interesse am Raumplan strebt weniger nach Raumökonomie als nach der Möglichkeit des sich in allen drei Dimensionen Bewegens im Raum und an den Durchblicken, dem Überblick.“ (In einer ÖGFA-Jubiläumsvisite konnten sich Interessierte 2005 von der zeitlosen Eleganz dieser Raumschöpfung überzeugen.)
Auch in zahlreichen Ausstellungsgestaltungen, darunter „Die unbekannte Sammlung“, „Wien 1945 davor / danach“, „Zauber der Medusa“ und „Eroberung der Landschaft“, setzte Blau aus der thematischen Substanz entwickelte, räumlich pointierte Akzente. Die mannigfaltigen Kleinarchitekturen von Luigi Blau (Sessel, Tische, Leuchten, Garderoben, Geländer) zeigen eine Faszination an konstruktiver Raffinesse, wie er sie etwa in den Entwürfen von Jean Prouvé, Eileen Gray und Le Corbusier sowie Charlotte Perriand verwirklicht sah. Für diese Faszination an konstruktiver Ökonomie ist die Unterkonstruktion eines 1970 entworfenen Tisches aus einem Stück gekanteten Niroblech ein exemplarisches Beispiel. Auch die von Blau angelegte Sammlung von Kleingegenständen, die aus einem Stück bestehen (Büroklammern, Reißnägel, Sicherheitsnadeln etc.) bezeugen dieses forschende Interesse am Gemachtsein der Dinge.
Die zahlreichen charakteristischen Haltestellen-Kioske samt urbaner Infrastruktur (Telefonzellen, Sitzbänke, Müllbehälter), die Luigi Blau ab den 1990er Jahren für die Wiener Stadtverwaltung entwarf, bewähren sich in ihrer technischen Robustheit und Leichtfüßigkeit bis heute. In ihrer diskreten Präsenz sind sie vielleicht das Schlüsselwerk eines Architekten, dessen vielfältigen Beiträge zur Baukultur unabhängig von ihrem Maßstab im Gedächtnis bleiben. „Arbeiten von Luigi Blau erscheinen wie zurückhaltende, nicht bescheidene, aber stille, informierte, intelligente Zeitgenossen, die sich weder vordrängen, sich ausstellen, noch zu belehren versuchen. Sie sind unauffällig resistente Bestandteile einer Großstadtkultur …“ Für Friedrich Achleitner, aus dessen Laudatio anlässlich der Verleihung des Preises der Stadt Wien dieses Zitat stammt, entwarf Luigi Blau 2019 den Grabstein, vielleicht die kleinste Kleinarchitektur seines Oeuvres. Sie besteht aus einem quadratischen Loch in einem wiederverwendeten Grabstein eines langjährigen Freundes.
ÖGFA-Bezug
Mit der Österreichischen Gesellschaft für Architektur kam Luigi Blau schon in ihren Gründungsjahren Mitte der 1960er Jahre in Berührung. 1967 nahm er als Architekturstudent an der ersten Auslands-Exkursion der ÖGFA teil, die unter fachkundiger Leitung von Architekt Bohuslav Fuchs nach Brünn und natürlich auch zur Villa Tugendhat von Ludwig Mies van der Rohe führte. Die Fotodokumentation im ÖGFA-Archiv zeigt eine wohlgekleidete Gruppe junger Architekt*innen, die wie Darsteller eines Nouvelle Vague-Films mit lässiger Ernsthaftigkeit durch die Altstadt und die neuen Quartiere Brünns streifen.
1971 erhielt Luigi Blau (gemeinsam mit Ingo Engel, Reinhard Honold, Janos Koppandy und Bernhard Mackerle) das seit 1968 von der ÖGFA vergebene Josef-Frank-Stipendium. Im gleichen Jahr steuerte er zur Ausstellung „Integrierter Städtebau“ den Entwurf von zwei 18-geschossigen Laubenganghäusern bei, die an der Meisterschule Ernst A. Plischke entstanden waren. 1974 wirkte er an der von Heinz Tesar initiierten ÖGFA-Ausstellung „Konfrontationen“ mit, die 19 Positionen der nachrückenden Wiener Generation versammelte. Luigis Katalogbeitrag trägt – als Kontrapunkt zu den hochtrabenden Architekturutopien der Dekade davor – den schlichten Titel „Kein Manifest“. Er gibt nüchterne Sätze zu Protokoll wie „Zum Sitzen reicht eine Kiste“, aber auch die schöne Aufforderung, eine Straße doch bitte wie ein Gedicht zu lesen …
Im UMBAU 5 hebt Dietmar Steiner in seinen „Allfälligen Bemerkungen zu einigen Arbeiten von Luigi Blau“ dessen subtile Fähigkeit hervor, dem Undramatischen Form geben zu können. Dieser Instinkt für die angemessene Balance zwischen kulturhistorischem Wissen und Konstruktionslogik, die auch viele seiner Möbelentwürfe kennzeichnet, habe Luigi Blau vor verspielter postmoderner Selbstreferenzialität bewahrt.
Ende der 1980er Jahre war Luigi Blau, der zur „Vereinsmeierei“ keineswegs neigte, nicht nur Mitglied im ÖGFA-Vorstand, sondern 1989–1991 auch dessen Vorsitzender; in diesem Zeitraum war er auch Teil der UMBAU-Redaktion.
Auch in den ÖGFA-Vorstandsitzungen der jüngeren Vergangenheit tauchte der Name Luigi Blau mit verlässlicher Verve immer dann auf, wenn es darum ging, die räumlichen Qualitäten der Wiener Architektur nach 1970 mit konkreten Beispielen zu belegen.
Der Vorstand der ÖGFA hatte Anfang 2023 einstimmig den Beschluss gefasst, Luigi Blau die Ehrenmitgliedschaft der ÖGFA zu verleihen. Auf die briefliche Einladung hat er im Sommer noch freudig reagiert. Niemand konnte ahnen, dass die Verleihung im Oktober 2023 posthum erfolgen würde. (Gabriele Kaiser, 28.08.2023)
Werke (Auswahl)
1970
Galerie Klewan, Wien, Renovierung u. Innengestaltung
1970
Tisch, Stahl und Glas
1972
Jins Tea House, Wien Walfischgasse
1972
Haus Gadenstätter, Zell/See, Neubau u. Einrichtung
1972/1974
Kunsthandlung Henryk Demner, Wien Innere Stadt
1974
Wohnturm S.F. in vier Ebenen, Wien Josefstadt, Umbau
1974-1975
Haus André Heller, Wien Hietzing, Zu- und Umbau
1975
Haus S. F., Wien Döbling, Umbau,
1976
Funktionsmöbel für eine Arztpraxis (Dr. S.), Wien-Hietzing
1977
Tisch „Holländer“
1977
Haus A.+P., Zell/See, Neubau
1978
Portal der Papierhandlung Baumgartner am Graben, Wien Innere Stadt (abgebrochen 2002)
1977/1978
Grab Kurt Moldovan
1979
Haus D., Attersee, Umbau und Einrichtung
1979
Organisation der Ausstellung "Die unbekannte Sammlung" im MAK Museum für Ange-wandte Kunst Wien
1980
Holzstuhl und Holzstuhl mit Leder, (Hofmobiliendepot)
1980
Gartenbank
1981
Demmers Teehaus, Wien Innere Stadt, Renovierung und Innenausstattung
1981
Haus Bene, Waidhofen/Ybbs, Zu- und Umbau
1981
Haus Dr. Turnheim, Wien Hietzing
1982
Schachtisch
1983
Rathaus Innsbruck, Wettbewerb
1984
Zentralsparkasse, Filiale Radetzkyplatz, Wien Landstraße, Umbau
1984
Fauteuil “Gradicsa“ für Franz Wittmann KG
1984/1985
Haus F., Wien Hietzing
1984/1985
Ausstellung „Wien 1945 davor/danach“, Museum des 20. Jahrhunderts, Wien
1985
Haus Wittmann/Hofer, Etsdorf/ Kamp
1985/1987
Künstlerische Realisierung der Ausstellung "Zauber der Medusa. Europäische Manierismen" im Künstlerhaus Wien
1986
Projekt Österreichstand Möbelmesse in Köln
1986
Bürogebäude Salzburg, Wettbewerb
1986
Fußgängersteg im Wiener Stadtpark, Wettbewerb
1986
Liftzubau Winarskyhof, Bauteil Peter Behrens, Wettbewerb
1986
Spital und Altersheim Salzburg-Aigen, Wettbewerb
1987-1988
Dorotheum Währingerstraße, Wien, Renovierung und Innenausstattung
1988
Hocker „Venezianer“
1988
Satztische
1988
Stehlampe „Elle“
1988/1989
Künstlerische Realisierung der Ausstellung "Merkur und die Museen" im Künstlerhaus Wien
1988/1991
Café-Konditorei Braun, Hallein
ab 1989
Arbeiten im Rahmen der "Stadtmöblierung Wien", u.a. über 650 Wartehäuschen für Bus- und Straßenbahnhaltestellen; Sitzbänke, rund 700 Telefonzellen, Kiosk, Abfallbehälter, Blumenbehälter, Altkleidercontainer, öffentliche Bedürfnisanlage
1989/1990
Projekt Haus in Mauerbach
1990
Haus Möchel, Stockerau
1990
Neugestaltung des Siebenbrunnenplatzes im 5. Wiener Gemeindebezirk, Wettbewerb
1991
Künstlerische Realisierung der Ausstellung „Die Eroberung der Landschaft“ im Museum Gloggnitz
1991
Michaelerplatz Wien, Einblicke in die Stadtgeschichte, Wettbewerb
1992-1993
Theater Ronacher, Wien, Renovierung und Innenausstattung
1993
Appartementhotel Wien-Favoriten, Wettbewerb
1993-1995
Wohnhaus G. und R. Sch., Wien Währing, Umbau
1994-1995
Café-Bar Lapinski, Wien Innere Stadt
1995
Zubau Stadttheater Klagenfurt, Wettbewerb
1996
Künstlerische Realisierung der Historismus-Ausstellung "Der Traum vom Glück" im Wiener Künstlerhaus u. d. Akademie der bildenden Künste
1994-1996
Schloss Schönbrunn, Wien: Neugestaltung des Kassenraums (Wettbewerb, 1. Platz)
1996-1998
Privatmuseum für chinesische Kunst, Wien Innere Stadt
1997-1998
Siebenbrunnenplatz, Wien Margareten, Neugestaltung
1997-1998
Öffentliches WC am Rathauspark, Wien Innere Stadt, Neugestaltung
1998/1999
Hauptplatz Korneuburg, Wettbewerb
1998-2000
Ticket Kiosk neben der Oper mit Garagenabgang, Wien Innere Stadt
1999-2000
Burgtheater in Wien, Umbau Eingang und Restaurant Innenausstattung
2000
Tourist Info in Wien, Innere Stadt, Renovierung und Innenausstattung
Matthias Boeckl [Hg.]: Architekt Luigi Blau. Häuser, Interieurs, Stadtmöbel: Beiträge zu einer Baukultur 1967-2002. Mit Textbeiträgen von Friedrich Achleitner, Matthias Boeckl, Francesco Collotti, Otto Kapfinger, Dietmar Steiner und Lisbeth Wächter-Böhm. Wien: Springer-Verlag 2003 (detailliertes Werkverzeichnis)
Otto Kapfinger [Hg.]: Luigi Blau. Architekt. Mit Texten von Otto Kapfinger, Friedrich Achleitner, Matthias Boeckl, Francesco Collotti, Dietmar Steiner, Lisbeth Waechter-Böhm. Salzburg: Müry Salzmann Verlag, 2018
Vortragende: Friedrich Achleitner, Alessandro Alverà, Luigi Blau, Hermann Czech, Hubert Egger, Helmut Hempel, Otto Kapfinger, Franz E. Kneissl, Friedrich Kurrent, Heidemarie Leitner, Matthias Mulitzer, Wolfram Ruoff, Martin Spühler, Walter Stelzhammer, Adolph Stiller, Doris und Ralf Thut Film-Interview mit Ernst Anton Plischke von Gregor Eichinger und Christian Knechtl
Die ÖGFA trauert um Luigi Blau mit einem Nachruf von Otto Kapfinger.
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