Ein Abend zu Christopher Alexander (1936–2022)
Podiumsdiskussionmit Hermann Czech, Claudia Mazanek, Gernot Mittersteiner, Hajo Neis, Moderation: Gabriele Kaiser, Maik Novotny / ÖGFA
weiterlesen …Eine Zeitschrift zu machen bedeutet, schreibend die Zeit zu begleiten. Zeitschriften können sehr „schnell“ sein und begierig nach neuesten Trends und Moden Ausschau halten; ja sogar beitragen sie zu erfinden. UMBAU ist in diesem Sinne ein langsames Medium. Es ist keinesfalls seine Aufgabe, für alle Rülpser der architektonischen Kultur sofort eine blitzgescheite Einordnung zu erfinden. So ertappen wir uns oft bei einem müden Lächeln, wenn wir in selbstvergessener Pflichterfüllung in den Schriften und Elaboraten blättern, die dankenswerterweise von der Post transportiert werden. Besonders vergnügliche Redewendungen aus dem Abseits der geschriebenen Architektur haben wir unter der Rubrik „Aus dem Lesen gegriffen“ gesammelt. Wenn der verehrte Leser auch nur annähernd Gleichwertiges findet, so ist uns seine tatkräftige Mitwirkung bei der weiteren Grabung nach diesen verschütteten Edelsteinen der architektonischen Rede lieb und wert.
Wem der UmBau dennoch zu „langsam“ ist, wer die allgemeine Heroisierung des „Schinkel-Jahres“ vermisste – der sei darauf verwiesen, dass es immer noch einen Kontinuität der „modernen Architektur“ gibt. Vielleicht ist die Auswahl der Artikel für UMBAU 5 in diesem Sinne auch als programmatische Gegensteuerung zu werten. Wir wollen nicht auf die kurzlebigen Eruptionen der selbsternannten Szene antworten. So hat die alltägliche Erregung Zeit zur Verdauung. Sollte beim UMBAU dennoch eine gewisse Tendenz erkennbar sein, so ist diese auf die Diskussionen, Positionen und Auseinandersetzungen zurückzuführen, die schon mehrmals mit dem geheimnisumwitterten „Wiener Klima“ beschrieben worden sind.
Aus dem benachbarten Ausland erreichen uns Meldungen, die das, was wir als „stille Architektur“ bezeichneten, bereits unter den ähnlich gearteten Bestrebungen einer „neuen Sensibilität“ in der Architektur subsummieren. – Vielleicht ein Zeichen dafür, dass die historische Lanze bereits vom Konsumismus gebrochen wurde und eine neue Hoffnung in Gestalt des architektonischen Literaten an Boden gewinnt?
In diesem Sinne ist es sicherlich kein Witz der Geschichte, dass einige renommierte internationale Architekturzeitschriften derzeit der österreichischen Architektur mit vermehrter Aufmerksamkeit begegnen. Es bleibt dem aufmerksamen Beobachter überlassen, die ausländische Reputation heimischer Produktion mit seiner eigenen Einschätzung zu vergleichen. Wir wollen hier nur einige Publikationen erwähnen, um auch die inländische Auseinandersetzung mit diesen Wertungen bekannt zu machen.
Als gewohnt kulinarische Überwältigung offeriert sich das italienische „lotus“ mit seiner Nr.29, die zur Gänze Österreich gewidmet ist. Vorherrschend ist die Wiener Szene, die leider historisch nicht sehr genau wiedergegeben ist. Es kommt zwar alles „zur Sprache“, aber zum Bild gelangt doch nur jenes, von dem auch eine bildhafte Überwältigung zu erwarten ist. Natürlich freuen wir uns über die derzeit berühmtesten Söhne der Heimat: Hans Hollein, Otto Wagner und Adolf Loos. Trotzdem müssen wir daran denken, dass viele wichtige Personen und Initiativen unter den Tisch gefallen sind. Um es mit den Worten der Fremdenverkehrswerbung auszudrücken: Die österreichische Architektur ist in Wahrheit interessanter und komplexer als diese architektonische Hofreitschule zu zeigen vermochte.
Eine der „schnellsten“ Architekturzeitschriften ist die bundesdeutsche „Bauwelt“. Ihr wöchentliches Erscheinen benötigt in erster Linie genügend Lagerfläche beim Konsumenten.
Die inhaltliche Qualität ist deswegen auch ebenso veränderlich wie das Wetter. Dennoch gibt es von der „Bauwelt“ jedes Jahr ein bis zwei gute Hefte. Ein besonders erfreuliches Schmuckstück ist das kürzlich erschienene Loos-Heft (Nr.42/81). Sorgfältig zusammengestellt, bringt es beachtenswerte Beiträge zur Loos-Forschung, die auch hierzulande zur verstärkten Auseinandersetzung und Analyse anregen sollte.
Ein anderes „Journal“ hat in Deutschland durch künstliche (Schweizer?) Befruchtung das Licht – oder doch nur die „Blendung“ – der Welt erblickt. Sicher ist „Daidalos“ das schönste und aufwendigste deutsche Architekturjournal. Man wähnt die italienische „rassegna“ als Paten; die internationale Reputation soll allein schon durch die zweisprachige (deutsch/englisch) Ausgabe gesichert sein. Ein ehrgeiziges Unternehmen, das sich der deutsche Mediengigant Bertelsmann als kulturelles Feigenblatt umgebunden hat. Dennoch scheint diese ehrsame Initiative zu schwimmen. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass hier die wirtschaftliche Potenz Deutschlands – getragen vom IBA- Aufwind – ein künstlich-ätherisches Sprachrohr sucht.
Es wirkt direkt befremdlich, dass Tausendsassa J.P. Kleihues nicht in der Liste der Redaktionsmitglieder des „Berlin Architectural Journal“ aufscheint. Die deutschen Initiativen zur Rettung der architektonischen Kultur sind – bedenkt man das psychoanalytische Symbol – immer mit dem Wasser verbunden. Was Muthesius – von England kommend – über den Ärmelkanal rettete, will Kleihues aus den Lagunen von Venedig fischen, um die exotischen Meeresfische im Wasser der Spree am Leben zu erhalten. Ob die Sauerstoffflasche „Daidalos“ der bundesdeutschen Tauchstation genügend Luft zum Überleben bietet, ist zu bezweifeln. Daidalos ist so „schön“, dass er zweifellos ungelesen, allein durch seine Präsenz, in die Bibliotheken deutscher Architekturfirmen wandern wird und dort als bildhafter Nachweis intellektuellen Engagements Verwendung finden wird. Schließlich ist die Basis der theoretischen Reflexion immer noch in den gebauten Werken einer Stadt zu finden – und ob hier Daidalos in Berlin ähnlichen Wundern begegnen wird, wie Dädalus in Dublin, ist zumindest fraglich.
Weitaus ehrlicher erscheint hier die kontinuierliche Tradition der Schweizer Architekturzeitschriften. Unter Verdrängung der komplexen Vorgeschichte haben sich seit einiger Zeit die neue „archithese“ und das neue „werk, bauen + wohnen“ als profunde Begleiter der architektonischen Kultur etabliert. Wir wollen jetzt schon darauf hinweisen, dass „werk, bauen + wohnen“ etwa zur gleichen Zeit mit dem Erscheinen von UMBAU 5 eine ganze Nummer Österreich widmet und bei „archithese“ ein ganzes Heft unter dem Arbeitstitel „Wien-Provinz“ seit langer Zeit in Vorbereitung ist und wahrscheinlich Anfang Sommer 1982 erscheinen wird. Wir würden uns freuen, wenn beide Hefte in Österreich die nötige Aufmerksamkeit finden würden: was wir uns diesmal natürlich auch für UMBAU 5 wünschen würden.
UmBau 5
Österreichische Gesellschaft für Architektur (Hrsg.)
Wien 1981
84 Seiten, mit SW-Abbildungen.
mit Hermann Czech, Claudia Mazanek, Gernot Mittersteiner, Hajo Neis, Moderation: Gabriele Kaiser, Maik Novotny / ÖGFA
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