Behutsame Stadterneuerung und IBA-Alt
Vortrag Hardt-Waltherr Hämer und Erhart Pfotenhauer (Berlin)
VortragBehutsame Stadterneuerung und IBA-Alt
Die Berliner Politik der Kahlschlagsanierung in den 70er Jahren entsprang einer damals internationalen Doktrin des radikalen Umbaus alter Stadtquartiere. In Kreuzberg wuchs – über zehn Jahre später als anderswo – massiver Widerstand dagegen. Er manifestierte sich in der „Instandbesetzung“ von etwa neunzig zum Abriss bestimmten Häusern. Schon zuvor wiesen Modellprojekte von Hardt-Waltherr Hämer die ökonomische Plausibilität der erhaltenden Erneuerung nach. Anfang der 80er Jahre gelang schließlich der Durchbruch der „behutsamen Stadterneuerung“ gegen den erbitterten Widerstand der Berliner Wohnungswirtschaft. Wichtige Plattform dafür war die Internationale Bauausstellung (IBA) Berlin 1984/87, vor allem die IBA-Alt unter Hämer mit Schwerpunkt Stadterneuerung in den Kreuzberger Sanierungsgebieten Luisenstadt und SO 36. In kriegszerstörten Vierteln arbeitete die IBA-Neu unter Josef Paul Kleihues mit „kritischer Rekonstruktion“. Die IBA-Alt baute auf Bewohnerbeteiligung, Erhalt der Gründerzeitsubstanz und ein kleinteiliges, schrittweises Vorgehen. Sie fungierte gleichsam als „eine aus lauter Ausweglosigkeit von der Verwaltung daneben gesetzte Alternativ-Bauverwaltung“ (D. Hoffmann-Axthelm). Die Bilanz der IBA-Alt verzeichnete zehn Jahre später die Erneuerung von 10.000 Wohnungen – mehr als 700 in Selbsthilfe –, 90.000 m2 Gewerbefläche, um- oder neugebaute Schulen und Kindergärten sowie eine große Zahl sozialer und kultureller Projekte in umgenutzten Gebäuden.
War der Anteil öffentlicher Fördermittel in der Stadterneuerung früher 80 Prozent, so sind es jetzt nur mehr 20 Prozent. Heute, 25 Jahre nach dem Aufbruch der 80er Jahre, sind in Berlin Sanierungsgebiete mit zusammen rund 81.500 Wohnungen ausgewiesen. Damals war Stadterneuerung ein revolutionärer Akt gegen das Machtkartell von Wohnungswirtschaft und Politik. Heute ist sie zum alltäglichen Umgang mit der bestehenden Stadt geworden.
Hardt-Waltherr Hämer
1922 geboren, bis 1952 Studium der Architektur an der HbK Berlin. 1948-59 Mitarbeit im Büro von Hans und Wassili Luckhardt; ab 1959 mit Marie-Brigitte Hämer-Buro selbstständig.
Zu seinen Frühwerken gehört das Theater Ingolstadt 1961-66. Von 1968-86 Begleitung des Pilotprojekts zur Stadterneuerung in Berlin Wedding und Charlottenburg; seit 1979 Planungsdirektor der IBA Berlin-Alt „Behutsame Stadterneuerung Kreuzberg“ 1984/87. 1967-86 Lehrtätigkeit an der HdK Berlin.
Erhart Pfotenhauer
Geschäftsführer von proUrban, wissenschaftliche Tätigkeit in der Wohn-, Partizipations- und Stadtverkehrsforschung, Gastprofessur für Stadtplanung, -erneuerung und -umbau Uni Oldenburg, Gründung Studiengruppe Wohnungs- und Stadtplanung, Frankfurt; Mitglied der Geschäftsführung der S.T.E.R.N., Berlin; Studie für Prora/Rügen, Stadtumbau-Management in ostdeutschen Großstädten.