Transparenz jenseits der Sichtbarkeit
Ein Rückblick
VortragKaum ein Begriff in der Alltagssprache der Architektur ist, wenn es um die Beschreibung der als positiv verbuchbaren Eigenschaften gegenwärtiger Gebäude geht, populärer als die viel beschworene „Transparenz“. Auf allen Ebenen, von der Unternehmensorganisation über die Außenwirkung von Institutionen bis hin zur Architektur ist die Rede von einem „Mehr an Transparenz“. Hier scheint ein schon einmal in die Krise geratenes Paradigma der klassischen Moderne wieder auferstanden zu sein, allerdings unter veränderten Vorzeichen. Ging es Anfang des 20. Jahrhunderts um das emanzipatorische Versprechen einer offenen, modernen Gesellschaft und die Auflösung von Dichotomien zwischen innen und außen, so kann man heute geradezu von einem gesellschaftlichen Druck zur inszenierten Zurschaustellung von Sichtbarkeit sprechen, angesichts dessen Transparenz oft den Status einer Maskierung, eines Images einnimmt.
Der ÖGFA-Programmschwerpunkt 2006/2007 zum Thema „Transparenz. Strategien der Sichtbarkeit in der Architektur“ war von dem Anliegen geprägt, die Ambivalenz dieses Begriffs zwischen Emanzipation und Kontrolle herauszuarbeiten und speziell die ideologischen Motive und Blickregime hinter dem Einsatz von Transparenz zu beleuchten. Die präsentierten Positionen waren dabei disziplinär zumeist in Zwischenzonen beheimatet, in denen die Thematisierung der Schnittstelle des eigenen Handelns ebenso wichtig erscheint wie die architektonische Membran zwischen innen und außen. So waren mit Jonathan Hill, Nikolaus Hirsch, Bernd Vlay und Eyal Weizman sowie den Gruppen 51N4E und muf architecture/art ArchitektInnen eingeladen, die über ihre architektonische Praxis hinaus immer wieder in gesellschaftspolitische Kontexte hinein agieren und sich – wie auch die Vortragenden Angelika Fitz oder Tom Holert – auf breitem kulturwissenschaftlichem Terrain bewegen.
Neben architekturtheoretischen Ansätzen zu einer Re-Evaluierung historischer Paradigmen der Moderne wie bei Jörg Gleiter und Anders Munch war es auch ein zentrales Anliegen der Reihe, die speziell von Seiten der Kunst erfolgte Auseinandersetzung mit dem Thema „Transparenz und Sichtbarkeit“ und auch ihr kritisches Potential zu integrieren. Neben einem Vortrag der KünstlerInnen Sabine Bitter und Helmut Weber wurden erstmals drei Filmprogramme mit Beiträgen von KünstlerInnen – kuratiert von Melanie Ohnemus – in die Reihe des Jahresschwerpunkts eingearbeitet.
Die beiden im März 2007 angesetzten Vorträge von Klaus Neundlinger und Annette Fierro werden noch einmal verstärkt einen politischen und ideologiekritischen Zugang zum Material Glas wie auch zu den imagepolitischen Instrumentalisierungen des Transparenz-Begriffs bilden und eine Reihe abschließen, deren Agenda die Verknüpfung zeitgenössischer Theorieproduktion mit konkreten politischen und architektonischen Fragestellungen, Materialitäten und Sichtbarkeiten war.
Der ÖGFA-Programmschwerpunkt „Transparenz. Strategien der Sichtbarkeit in der Architektur“ wurde kuratiert von Christian Teckert mit Unterstützung von Iris Meder, Andreas Rumpfhuber und Robert Temel. Das Film- und Videoprogramm zum Schwerpunkt gestaltete Melanie Ohnemus.