ÖGFA_Stadtdiskursvisite 01: Danube Flats
SonstigesDanube Flats
Rundgang mit Diskussion
Lokalaugenschein Cineplexx / Wohnpark Neue Donau: Die Leerräume zwischen den Gebäuden – von Stadträumen kann nicht die Rede sein – sind alles andere als vitale Orte. Die Straßenzüge sind eindimensional, von Autos beherrscht, der Radweg mutiert zum Windkanal, Gehwege mäandern durch Gestrüpp.
Laut Harry Seidlers Masterplan hätte an diesem Standort ein Wohnhochhaus mit einer Höhe von 60 m stehen sollen, das von der Stadtplanung abgelehnt wurde. Im Jahr 2004 – also vor dem Kauf der Immobilie durch die Investorengruppe – widmete die Stadt das
Grundstück als Geschäftsviertel und schloss eine Wohnungsnutzung ausdrücklich aus. Die maximale Bauhöhe alterniert laut gültiger Widmung zwischen 16 und 26 m. Bis Ende 2016, so wird vom Investor angekündigt, soll ein 150 Meter hoher Turm – mit 500 Eigentumswohnungen – hier bezugsfertig sein. Der geladene Wettbewerb wurde 2012 durchgeführt. Im Sommer 2013 bat die Stadtplanung die Anrainer um Anregungen und Vorschläge zum Vorhaben. Zuerst planen, dann umfragen: Die Reihenfolge lässt zu wünschen übrig. Rudolf Kohoutek, als Stadtexperte in die Expo-Planungen der 1990er Jahre involviert, hat schon zur Zeit der Widmung des Kinocenters die aktuelle Entwicklung vorausgesagt und
wird mit Christoph Mayrhofer, der sich für ein lebenswertes Quartier einsetzt, durch das Gelände führen. Im Anschluss wird in einer größeren Runde diskutiert.
Text: Elise Feiersinger
Rudolf Kohoutek
Lebt in Wien. Studium der Architektur an der TH Wien
und der Geographie an der Universität Wien. Freiberufliche
Stadtforschung seit 1974 in den Feldern Städtebau,
Instrumente der Stadtplanung, Stadterneuerung, Stadtgestaltung,
Alltagsleben, Architektur, Wohnqualität etc.
Christoph Mayrhofer
Architekturstudium an der TU Wien; Diplom bei Professor
Ernst Hiesmayr; Studienaufenthalte in den USA und
in Italien; Arbeiten in diversen Bürogemeinschaften.
Seit 1992 eigenes Architekturbüro. Seit 2000 Filiale in
Volda/Norwegen; ab 2004 Arbeitsgemeinschaft mit
Gernot Hillinger; 2007 - 2010 Lehrtätigkeit an der TU
Wien.
Moderation: Andreas Vass
Konzeption: Elise Feiersinger, Gabu Heindl und Andreas Vass
Allgemeines zu den ÖGFA_Stadtdiskursvisiten
ÖGFA_Stadtdiskursvisiten
Lokalaugenschein beim Geschäft mit der Stadt
Wien wächst und die Frage des Wohin ist gestellt. Um weitere Zersiedlung im diffus wachsenden Einzugsbereich zu verhindern, scheint Nachverdichtung die Methode der Wahl. Hier stellt sich aber umso mehr die Frage des Wo und des Wie.
Gewisse Vorhaben verpassen dem an sich unbestrittenen Konzept der Nachverdichtung ein denkbar schlechtes Image, noch bevor Regeln etabliert sind – oder gegen jede Regelung. Das Gefühl macht sich breit, dass die Geschäfte einiger weniger als ökologisches und ökonomisches Interesse der Stadt verkauft werden. Die ÖGFA_Stadtdiskursvisiten sind ein neues, experimentelles Format, mit dem die ÖGFA auf Orte besonders kontroverser Nachverdichtung aufmerksam macht – vor Ort und vorweg.
Vorweg: Wir gehen davon aus, dass Nachverdichtung nicht in jedem Fall, nicht an jedem Ort, nicht zu jeder Zeit, nicht auf jede Weise und nicht in jedem Maß einen Gewinn für die Allgemeinheit darstellt. Verdichtung ist ein wichtiges Werkzeug im Kampf gegen Ressourcenvernichtung nur dort, wo sie Menschen, jenseits der „rich and beautiful“, optimale Lebensbedingungen anbietet, ihren Nutzungsansprüchen Raum gibt, etwa in den Großwohnanlagen der Nachkriegszeit und in den monofunktionalen Entwicklungsgebieten der letzten Jahrzehnte fehlende Infrastrukturen und Durchmischung schafft oder im stadträumlichen Zusammenhang Konsistenz und Lesbarkeit entwickelt. Aber bei wem liegt der Gewinn privater Immobilien, die „in besten Lagen“ im Hochpreis- oder Luxussegment als „landmarks“ vermarktet werden?
Wir gehen weiter davon aus, dass der Bestand einer Stadt allein aufgrund seiner langfristigen Perspektive ihr wichtigstes Gemeingut bildet, insofern dieser Bestand, auch wenn in privater Hand, ihren öffentlichen Raum entscheidend prägt. Dessen Wert für die Bewohner ist von dem Wert für Verwerter zu unterscheiden. Das Gemeingut Stadtbestand bzw. seine Qualität sind nicht gleichmäßig verteilt: Konsistenz und Lesbarkeit sind hier als Qualitäten umso mehr zu wahren, als sie – gerade in Wien – nicht an jeder Straßenecke zu
finden sind. Welche Funktionen haben Ausnahmen und Regeln im Kontext konkreter Bestandssituationen und kann das Versprechen architektonischer „Exzellenz“ städtebauliche Fehler abgelten?
Wenn private Investoren Mehrwert aus den Qualitäten des Gemeinguts Stadtbestand abschöpfen, so hat die Stadtplanung die Aufgabe und die Mittel, diesen Interessen im öffentlichen Interesse Grenzen zu setzen. Kapitalinteressen dorthin zu lenken, wo die Entwicklung dieser Qualitäten auch private Bautätigkeit braucht, wo Stadt verdichtet werden muss; und dort zu beschränken, wo der Bestand der Stadt Vorrang hat. Ist die Stadt in der Lage und gewillt, ihre planerischen Zielsetzungen auch langfristig ernst zu nehmen und was geschieht vor Ort, wenn das Versprechen eines Investors lockt?
Bevor „vollendete Tatsachen“ geschaffen sind, stellen wir vor Ort umstrittene Bauprojekte vor, diskutieren im Rahmen von Begehungen ihre Auswirkungen auf den Stadtraum und auf bestehende Nutzungsansprüche unterschiedlicher sozialer Gruppen, halten Vorausschau auf Potentiale und Gefahren und Nachschau bei Qualitäten und Mängeln und gehen den Regeln auf den Grund, die den Erhalt und die Entwicklung dieser Qualitäten fördern und sichern können. Die Stadtdiskursvisiten werden von ortskundigen, einschlägig informierten Experten im Dialog geführt und münden in eine Diskussion mit in die Vorhaben involvierten Personen. Der genaue Treffpunkt und die Route wird jeweils vor den Veranstaltungen per Newsletter mitgeteilt.
Text: Andreas Vass