ÖGFA_Impulsreferate, Diskussion: Das Baurecht: Mittel gegen Bodenspekulation? Bettina Köhler (angefragt), Christoph Luchsinger, Rolf Novy-Huy
Vortrag und Diskussion„Der Grund und Boden dem Staat, der Hausbesitz dem Privaten.“ (Hans Bernoulli)
„Die Gemeinde verkauft kein Land, das in ihrem Eigentum steht. Die Gemeinde erwirbt in privatem Eigentum stehendes Land nach Möglichkeit. Die Gemeinde läßt ihr Land durch Private nutzen, indem sie ihnen ein Baurecht einräumt an diesem ihren Land.“
(„Die Aufgabe des Tages“, in: Die Stadt und ihr Boden, Hans Bernoulli, 1946)
Die Problematik des Geschäfts mit der Stadt lässt sich anhand des Geschäfts mit Grund und Boden zuspitzen: Wenn Liegenschaften auf Basis von öffentlichen Maßnahmen – ob Verbesserung der Infrastruktur oder höhere Widmung des Grundstücks – an Wert gewinnen, so ist dies keine selbstverdiente Leistung. Wenn es nun von Seiten der Öffentlichkeit keine Mittel gibt, den Gewinn aus dem Privateigentum von Boden (teilweise) zu beanspruchen, dann schenkt die Öffentlichkeit der jeweiligen GrundeigentümerIn einen oft nicht unerheblichen Mehrwertsgewinn bei Verkauf oder Entwicklung des Grundstücks – und fördert Bodenspekulation.
Bodenpolitik hat aber nun auch unmittelbar mit der Leistbarkeit von Wohnraum zu tun: Gut erschlossene zentrale Grundstücke werden durch die Bodenspekulation am freien Markt teure Ware, wodurch diese Lagen für Luxus-Immobilien lukrativ und für Sozialen Wohnbau unbezahlbar werden. D.h. günstiger Wohnraum wird aus den zentralen Lagen vertrieben. Doch auch Grundstückseigentum am Stadtrand ist – in einer Stadt ohne Mehrwertabgabe – Spekulationsobjekt.
Unter den bereits bestehenden Formen, Verfügungsrechte über Grund und Boden auch anders als über private Eigentumsfreiheit zu organisieren, gibt es unter anderem das Baurecht. Das befristete Recht, auf einem Grundstück ein Haus im Eigentum zu errichten und zu betreiben wird auch als Entkapitalisierung des Bodens beschrieben. Es geht eben darum, den Boden dauerhaft der Spekulation zu entziehen. Grund und Boden sind nicht (re-)produzierbar. Baurecht bedeutet auch, dass das öffentliche Interesse in das private Recht integriert wird.
Nachdem im Rahmen des Schwerpunkts „Das Geschäft mit der Stadt“ bereits ausführlich über die Mehrwertabgabe im Verhältnis zur öffentlich geschaffenen Infrastruktur und urbaner Qualität diskutiert wurde – u.a. anhand des spezifischen basis-demokratischen Kontexts der Schweizer Stadt Basel – geht es in dieser Veranstaltung darum, die Für und Wider des Instruments (Erb-)Baurecht abzuwägen. Ist das Baurecht ein geeignetes Instrument für bessere Bodenpolitik, und um leistbaren Wohnraum zu erhalten und zu schaffen?
Text: Gabu Heindl
Impulsreferate:
Bettina Köhler
(INURA Wien); www.inura.org
Christoph Luchsinger
Studium der Architektur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ); wiss. Mitarbeiter und Dozent für Städtebaugeschichte bei Professor André Corboz (ETHZ); Redakteur der Zeitschrift Werk, Bauen + Wohnen; Dozent am Zentrum Urban Landscape an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur (ZHAW); Gastprofessor an der ETHZ, TU Ljubljana und TU Graz. Seit 1991 gemeinsames Architekturbüro mit Max Bosshard in Luzern und seit 2009 Professor für Städtebau und Entwerfen an der TU Wien.
Rolf Novy-Huy
Geschäftsführer der Stiftung trias. Zuvor bei der GLS Gemeinschaftsbank eG in Bochum 12 Jahre lang in der Finanzierung von Projekten tätig, Schwerpunkt Wohnprojekte. Die Stiftung vergibt Liegenschaften im Baurecht für qualitätsvolle Wohnprojekte.
Stiftung trias: Gemeinnützige Stiftung für Boden, Ökologie und Wohnen. Die Stiftung trias fördert Initiativen, die Fragestellungen des Umgangs mit Grund und Boden, ökologischen Verhaltensweisen und neue Formen des Wohnens aufnehmen. Ihre Stiftungsziele verwirklicht sie gemeinsam mit Kooperationspartnern im Rahmen gemeinnütziger Zielsetzungen.
Im Anschluss: Podiumsdiskussion
Moderation: Gabu Heindl, ÖGFA