Maschinenräume
Hinter der Kulisse der Wiener Ringstraße
BuchpräsentationDie Wiener Ringstraße: Ein weltbekanntes Synonym für Stadtbaukunst und Architektur des 19. Jahrhunderts, deren Werte bis heute Bestand haben. Bauten wie das Parlament, das Burgtheater, die Staatsoper und das Wiener Rathaus sind im Bewusstsein der Wiener*innen und Besucher*innen zu sofort wiedererkennbaren Ikonen geworden, jede mit ihrer eigenen Spielart des Historismus, die der Funktion der Architektur ihre staats- und kulturtragende Bedeutung verleiht. 2015 feierte die Ringstraße ihr 150-jähriges Jubiläum und rückte die große städtebauliche Maßnahme, aber auch die Säulen, Atlanten, Fassadengliederungen, Prunkstiegen und Festsäle wieder ins Rampenlicht.
Ein Prachtboulevard mit prunkvoller Architektur also. Doch kaum jemand dürfte beim Stichwort Ringstraße das Thema Technologie assoziieren. Dabei entstand sie zu einer Zeit, in der sich Europa in Hochgeschwindigkeit industrialisierte. Auch vor den Ringstraßenbauten machte diese Entwicklung nicht Halt. Ihre Bauten bergen ein unsichtbares Arsenal an technischen Innovationen auf der Höhe der damaligen Zeit.
Die Rohrpost des Parlaments, die Bühnentechnik von Burgtheater und Staatsoper, die Lüftungsanlagen der Neuen Burg. Ein Kellerlabyrinth aus Verbindungsgängen, Leitungen, Schächten. Details wie Hebel, Räder, Klappen, Griffe, Rohre, Kurbeln und Aufzüge als Zeugen von ingenieurtechnischer Intelligenz und Erfindungsgeist. Funktionsräume mit ganz eigener Ästhetik und Atmosphäre, mit Mechanismen, die erstaunlicherweise oft bis heute unverändert in Benutzung sind. Eine Architektur des Untergrunds, des Hintergrunds und des möglichst reibungslosen Funktionierens hinter den Kulissen. Auch in den geräumigen Dachböden mit ihren fragilen Stegen und Stiegen, die dem Publikum ebenfalls verborgen bleiben, wurde Raum für haustechnische Erfordernisse und funktionale Zusatzfunktionen geschaffen.
Hier zeigt sich das über Jahrzehnte hinweg gewachsene Flickwerk der Haustechnik, die kontinuierlich den aktuellen Standards angepasst wird, ohne als „Ganzes“ erneuert zu werden. Kabeln, Rohre und Schläuche, Stränge von Elektrik, Rohrpost, Lüftung, Datenströme, sie alle tauchen aus Wänden und Schächten auf und verschwinden wiederum in anderen. Jedes Mal, wenn sich nach technischer Überformung neue Raumreserven auftun, werden sie von Begehrlichkeiten aller Art (Lagerung von Archivgut, Verlegung von neuen Leitungen, Nutzung als Probebühne) aufgefüllt. Der Raum im Hinterland großer Häuser-Maschinen war und ist eine kostbare Ressource.
Diese unsichtbare Unter- und Kehrseite, mit Raumvolumen, die nahezu gleich groß sind wie ihre oberirdischen Äquivalente, ist das Spiegelbild der Ringstraße, wie wir sie kennen, das Fahrwerk zu ihrer Karosserie. Erst durch sie wird die Architektur komplett, nur durch die Technik können die Ringstraßenbauten als das funktionieren, was sie repräsentieren.
Die Buchpublikation „Maschinenräume – Hinter den Kulissen der Wiener Ringstraße“ untersucht diese Welt in fotografischen Essays von Hertha Hurnaus und in Essays von Friedrich Idam, Gabriele Kaiser, Stefanie Jovanovic-Kruspel, Maya McKechneay, Andreas Nierhaus und Maik Novotny.
Mit den Herausgeber*innen Hertha Hurnaus, Gabriele Kaiser und Maik Novotny und den Autor*innen
Hertha Hurnaus ist Architekturfotografin und lebt in Wien. Umfangreiche Fotodokumentationen für Bücher wie „Das österreichische Parlament – Facetten einer Erneuerung“ (2023), „Weltkulturerbe Österreich – Die Semmeringeisenbahn“ (2021) oder „Harry Glück – Wohnbauten“ (2014). Diverse Einzel- und Gruppenausstellungen sowie zahlreiche Publikationen in Architektur- Fachmedien.
Gabriele Kaiser ist Architekturpublizistin/Ausstellungskuratorin und lebt in Wien. Autorin und Herausgeberin von Publikationen zur zeitgenössischen Architektur, Co-Kuratorin von Architekturausstellungen z.B. über das Werk von Viktor Hufnagl (2022) und Hermann Czech (2024). Bis 2024 Vorstandsmitglied der ÖGFA.
Maik Novotny ist Architekturpublizist und lebt in Wien. Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen zur zeitgenössischen Architektur. Seit 2022 Vorstandsvorsitzender der ÖGFA.