Brünner Straße: das Städtebaumuseum des 20. Jahrhunderts
ExkursionEntlang der Brünner Straße ist seit den 1920er Jahren in jedem Jahrzehnt mindestens eine Großwohnanlage oder ein großes Siedlungsprojekt entstanden. Dabei haben sich die jeweils neuesten Projekte fast immer am jeweiligen Stadtrand auf der bis dahin landwirtschaftlich genutzten sprichwörtlichen grünen Wiese entwickelt. Man könnte die Brünner Straße also als eine Art Städtebaumuseum des 20. Jahrhunderts betrachten. Wenn man von der Alten Donau aus stadtauswärts geht, sieht man alle wesentlichen Stadt- und Wohnbauideologien in chronologischer Reihenfolge, vom Paul-Speiser-Hof und dem Schlingerhof der 1920er Jahre bis zu den Bauten am Marchfeldkanal in den 1990ern. Diese Entwicklungen koexistieren mit teilweise großflächigen Kleingartensiedlungen, den Nachfolgern der Siedlerbewegung die in den 1920er Jahren, oft in Eigeninitiative Wohnraum geschaffen hat. Die Wohnungsanlagen überlagern und verdrängen diese Kleingartenstrukturen aber auch, ebenso wie alte Industrie- und Gewerbeareale und Bahnanlagen des Industriestandortes Floridsdorf. Dabei ist ein Stadtraum entstanden, dem es oft an urbanen und ruralen Qualitäten gleichermaßen fehlt, der weder Stadt noch Land ist – und auch nicht (mehr) die Vorstadt, die man noch aus den gründerzeitlichen Gebieten außerhalb des cisdanubischen Gürtels kennt.
Auch die von Viktor Hufnagl 1973 bis 1979 geplante und in den 1980er Jahren errichtete Wohnhausanlage Gerasdorfer Straße und der unmittelbar benachbarte Ernst-Theumer-Hof sind auf und neben Feldern errichtet worden und fügen sich in diesen Prozess der nach außen wachsende Randstadt.
Wir erkunden in einem Spaziergang zur Brünner Straße den Ernst-Theumer-Hof, die Wohnbebauung der 1990er Jahre Richtung Marchfeldkanal, den historischen Ortskern von Großjedlersdorf – und den Heinz-Nittel-Hof aus den 1980ern. Je nach den noch vorhandenen Kräften und Interesse sind Abstecher zum Dr. Franz-Koch-Hof (aka klein.Chicago) und in die Siedlung Siemensstraße aus den 1950er Jahren möglich. Text: Ursula Hofbauer
Es führt: Ursula Hofbauer
Architektin und DINGenieurin, lebt und arbeitet in Wien, im 21. Jahrhundert und im 21. Bezirk. Arbeitet seit 1999 in und mit dem öffentlichen Raum, u.a. „Strange Views“ (1999), Ausstellungsprojekt im Wiener Prater mit Bodenbeschriftung, „Permanent Breakfast“ (1999-2005) das immerwährende Frühstück im öffentlichen Raum und „Jane’s Walks“ (2016 und 2017) entlang der Brünner Straße, Spaziergänge im Rahmen des Community College der Kunsthalle Wien und Jane’s Walks in der Siedlung Siemensstraße (2017, 2019, 2022) und in der Großfeldsiedlung (2020, 2022) . Widmet sich leidenschaftlich dem öffentlichen Raum, seiner demokratischen Nutzung und allen Fragen der daraus resultierenden Gestaltung, insbesondere in der städtischen Peripherie.
Programm und Moderation: Gabriele Ruff / ÖGFA