GUTER JAHRGANG I Junge Architektur von Wohnhaus bis Bar
ArchitekturtageGUTER JAHRGANG I - Junge Architektur von Wohnhaus bis Bar
Die Fußtour "Guter Jahrgang I" begibt sich auf die Spuren junger Architektur im 7. und 1. Bezirk. Den Start macht eine ehemalige Hinterhofindustrie in der Zieglergasse, die in kreative Wohn- und Arbeitsflächen mit ungewöhnlichen Raumhöhen verwandelt wurde. Danach geht es zum Bauernmarkt, wo ein Chinarestaurant zu einer Online-Fotogalerie mit Werbeagentur mutiert ist. Den Abschluss macht das Orlando di Castello, ein Restaurant mit Bar und Lounge, dessen unkonventionelles Design bereits für internationales Aufsehen gesorgt hat.
ZG 61 – WOHNEN UND ARBEITEN IN EHEMALIGER HINTERHOFINDUSTRIE
Es führen Paul Jung, Fabien Barthelemy und Martin Andorfer.
Das Haus in der Zieglergasse 61 ist eine ehemalige Druckerei und wurde vor rund 100 Jahren gebaut. 2008 übernahm ein Investor das Objekt und teilte es in rund 15 Wohneinheiten. Fassade, Stiegenhaus, Lift, Balkone und Terrassen wurden vom Bauträger renoviert, die einzelnen Wohneinheiten als Edelrohbau verkauft. Aufgrund der ungewöhnlichen Volumetrie (4 m Raumhöhe) wurden viele Wohnungen von Architekten oder Künstlern gekauft. Jede Wohneinheit ist nach den Wünschen und Anforderungen der Nutzer individuell ausgebaut. Das renovierte Flachdach dient den BewohnerInnen als Terrasse.
Das Loft ZG61 ist eine durchgesteckte Wohnung mit einer Nutzfläche von ca. 100m² bei einer Raumhöhe von 4m. In einer zentralen 2,20m hohen Box sind Badezimmer, WC, Küche und Abstellraum untergebracht. Das darüber liegende Mezzanin wird als Lese / Spiel- oder Rückzugs / Schlafbereich verwenden. Eine geschlossene Box, mit vielen Funktionen welche durch unterschiedliche Mechanismen je nach aktueller Nutzung geöffnet, herausgezogen oder aufgeklappt werden, zentralisiert alle Servicefunktionen. Alle bestehenden Außenwände wurden frei gespielt so dass keine innen liegende Trennwand an die Außenwände anschließt. Tagsüber wird die Wohnung aufgrund der offenen Gestaltung mit Sichtachsen als „Mono-espace“ (Einraum) genutzt. Nachts können die zwei Schlafbereiche durch raumhohe Türen abgetrennt werden. Durch die Wahl der Materialien (weißer Industrieboden aus Polyurethan-Beschichtung; Küche aus Edelstahl...) soll der industrielle Charakter erhalten bleiben und gleichzeitig eine wohnliche Atmosphäre geschaffen werden.
Architektur: Fabien Barthelemy architecte DPLG
Die zentrale Entwurfsidee für die Wohnung ZG61 ist der Erhalt der Dimension und Großzügigkeit im Wohnbereich, welcher sich mit Fensterfronten zu jeweils beiden Innenhöfen öffnet, ohne Kompromisse in der Privatsphäre der funktionellen Räume und Schlafzimmer eingehen zu müssen. Tageslicht strömt durch die großen Oberlichten der präzise gesetzten Möbelwand auch in die weiter von den Fenstern entfernten Bereiche. Besondere Aufmerksamkeit richtet sich auf die Textur der konstruktiven Einzelheiten. Es wurden nur wenige Materialien eingesetzt und auch die Oberflächen sind sorgfältig gewählt.
Architektur: Paul Jung
Eine im 4. Stock befindliche Einheit von 70 qm mit 6 qm Balkon beherbergt das Fotostudio ZG61, das sowohl als Arbeitsplatz wie später auch als Loftwohnung seine Verwendung finden können sollte, beide Adaptierungen sollten für beide Varianten vorhanden sein. Aufgrund der geringen Grundfläche baute man in den bestehenden Raum einen Kubus, der wiederum eine zusätzliche Fläche von 15 qm ergab. Darunter befindet sich der Nassraum (Bad WC) und Abstellraum. Oberhalb dieses Würfels, das Büro oder später das Schlafzimmer. Auch sollte das Loft beim Wohnen bzw. Arbeiten spürbar und erkennbar bleiben, alte Strukturen also erhalten werden. Daher wurde versucht, mit bestehenden Materialen zu arbeiten (Stahlträger, Radiatoren, Stiege,.......), sprich eine Verbindung von alt und neu zu schaffen um typisches Loftwohnen möglich zu machen.
Architektur: KISKAN KAUFMANN ARCHITEKTEN
Fabien BARTHELEMY architecte D.P.L.G.
Geboren 1975 in Montpellier Frankreich, Architekturstudium an der Ecole d’Architecture de Marseille. Auslandsstudium an der School of Architecture of Manchester. Mitarbeiter in diverse Architekturbüros in Marseille, Rotterdam, Wien und Paris. Seit 2008 selbständige Tätigkeit in Wien.
SCHWARZWEISS AM BAUERNMARKT - FOTOGALERIE UND WERBEAGENTUR
Ein ehemaliges chinesisches Restaurant mit Dienstwohnungen im Obergeschoss wurde zum neuen Standort einer Online Galerie für internationale Fotokunst mit Werbeagentur. Das ursprünglich vollständig verbaute Objekt wurde auf die wesentlichen Strukturen reduziert, Portal und das Gebäudeinnere an die neuen Anforderungen angepasst. Nun sollen Glasöffnungen in einem schwarz verkleideten Sockel die Blicke der PassantInnen lenken, gezielt platzierte und beleuchtete Werke die Neugierde wecken. Ein 320m2 großer entkernter Raum in weiß, ergänzt durch schwarze Nischen bildet die Ausstellungsfläche im Erdgeschoss. Das rückwärts gelegene Stiegenhaus wird zur verspiegelten Verbindung der im Obergeschoss gelegenen Werbeagentur. Ein separater Eingang erlaubt eine unabhängige Nutzung der Agentur und der Ausstellungsflächen. Ähnlich einem roten Faden zieht sich eine betont schlichte Möblierung durch das Gesamtobjekt und zoniert das unterschiedliche Angebot. Es entstehen Plätze zum Verweilen, Betrachten, Informieren und Arbeiten. Material und Farbauswahl folgen der Corporate Identity von www.photographerslimitededitions.com
Architektur: MIKADO architects
MIKADO architects sind eine Arbeitsgemeinschaft von 5 ArchitektInnen, die projektspezifisch in unterschiedlichen Formationen zusammenarbeiten. Im ständigen Diskurs mit den AuftraggeberInnen werden bestehende Strukturen hinterfragt, neue Konzepte entwickelt und Projekte kompetent bis zur Schlüsselübergabe begleitet. Die hieraus resultierende Kunden-Zufriedenheit bildet seit der Gründung von MIKADO architects im Jahre 2003 das Fundament für nationale und internationale Aufträge.
ORLANDO DI CASTELLO - RESTAURANT-BAR-LOUNGE
Die Idee, die Welten der Queen Elisabeth, des Rappers 50 Cent und eines Mädchens aus Tirol zusammen in einem Raum zu vereinigen und aus diesen in Widerspruch stehenden Assoziationen eine neuartige harmonische Komposition zu formen, dominiert den Entwurf. Symbole wie zarte stilisierten Blümchen und harte metallische Nieten erscheinen in unzähligen Versionen im Raum und sorgen für starke Kontraste. Das spannende Raumgefühl entsteht durch die Untersuchung der neuen Proportionen: Sockelleisten umwandeln sich in die Wandverkleidungen, Stehleuchten werden zu Deckenleuchten, Stoffbahnen teilen sich in kleine zettelartige Tücher, Sitzbänke explodieren in kleine nierenförmige Segmente. Das Ergebnis dieser oft ironischen Verfremdungen ist eine surreale und überraschungsreiche Atmosphäre. Weiß als dominante Raumfarbe, frisch unschuldig und freundlich, wirkt auf verschiedenen Materialien und Oberflächen differenziert und immer anders. Im Dialog mit metallischen, silbernen und verspiegelten harten Elementen verliert das Weiße immer wieder seine Unschuld und wirkt härter. Andererseits, getaucht in warmes Licht scheint der weiße Hintergrund sanft und goldig warm. Die Verwendung von unterschiedlichen Sitzmöbeln (Form aber auch Sitzkomfort) in verschiedenen Raumbereichen erzeugt die gewollte Raumteilung und Zonierung.
Gezielter Einsatz von Beleuchtung und sorgfältig geplante und ausgesuchte Lichtfarben unterstützen die Stimmungen in einzelnen Bereichen. Das starke ODC Branding erscheint dominant oder zurückhaltend, geprägt oder gedruckt auf mehreren sonderangefertigten Objekten und Oberflächen. Hochwertige Handarbeit steht hier in direktem Zusammenhang mit der Qualität der Marke "Orlando di Castello". In ihrer Unverwechselbarkeit wird die Architektur zum Träger der Markenentwicklung.
Architektur: Denis Kosutic; Mitarbeiter: Mareike L. Kuchenbecker (Projektleitung), Carina Haberl, Judith Wölkl, Matteo Trentini
Denis Kosutic
Geboren 1969 in Zagreb, Croatia. Architekturstudium an der Universität Zagreb und der TU Wien. Lebt und arbeitet in Wien, Bürogründung 2002. Im Werk von Denis Kosutic manifestiert sich eine neue, antitraditionelle Auffassung über die Rolle der Architektur in der modernen Welt. In seiner „Pret-a-porter-Architektur“ übersetzt er gekonnt die modernen Tendenzen und Trends aus Mode und Design in die Sprache des Alltags und betrachtet dabei die Architektur als Konsumgegenstand und nicht als Monument für die Ewigkeit. Der Prozess der Planung beinhaltet auch die Ausarbeitung von neuen Strategien, Aufbau von Image und Corporate Identity, Erfinden und Etablieren der Codes, die Menschen und Brands dazu bringen, sich modern, einmalig und begehrt zu fühlen. Sein Büro plant Restaurants, Klubs, Geschäfte sowie Häuser, Wohnungen, Hotel Apartmants und Möbel, kooperiert mit Grafikern, PR Beratern und Möbelproduzenten.