Friedrich Achleitner 1930 - 2019
Friedrich Achleitner starb im 89. Lebensjahr in Wien. Er repräsentiert zwei Sphären: das Bauen und die Sprache. Sein Weg ging vom Bauen (mit Johann Georg Gsteu transformierte er noch die bombenbeschädigte Hetzendorfer Pfarrkirche) zur Literatur, danach zur Architekturkritik und wieder zurück.
Über den bloß biographischen Zusammenhang hinaus entsteht hier aber ein geistiger: die wechselseitige Erfahrung von Form und Begriff — von einer dieser Sphären die andere zu erschließen, vom Gedanken zum Raum zu kommen, in den Erscheinungen eine Bedeutung zu erkennen.
Abwechselnd ist Achleitner beiden Sphären auf den Grund gegangen: den modularen Elementen des Bauens (im Gefolge Konrad Wachsmanns) und den geschriebenen und gesprochenen Elementen der Rede (in der konsensualen Arbeit der „Wiener Gruppe”). Aber in beiden Sphären eröffneten sich über den Bausteinen die Ebenen der Bedeutung — und mit ihnen die Gemeinplätze: die Trivialitäten der verwendeten Sprache (auch des Dialekts) und die Trivialitäten der alltäglich erscheinenden Formen.
In der Architektur entstand daraus Achleitners breite Sammlungstätigkeit „nicht nur ... [des] Besonderen und Erlesenen, ... sondern ... ebenso [des] Typischen und Allgemeinen”, wie er in den Vorworten zu den Bänden der „Österreichischen Architektur im 20. Jahrhundert” schreibt. Ausgehend von einer Gleichwertigkeit der Erscheinungen wendet er sich als Zeithistoriker mit Freuds „gleichschwebender Aufmerksamkeit” den Fakten und Materialien zu. Eben dadurch sind seine Erkenntnisse und Urteile über den Streit von Tendenzen hinaus schlüssig und vertrauenswürdig. Nun fehlt eine solche Instanz.
Hermann Czech