Felix Orsini-Rosenberg 1929-2020
Felix Orsini-Rosenberg ist vergangenen Samstag (15.2.2020) verstorben. Seit 1966, gleich nach der Gründung, wirkte Orsini-Rosenberg bei der „G´sellschaft“, wie er die ÖGFA nennt, in mannigfachen Initiativen und Funktionen, ab 1976 als Sekretär im Vorstand in Wien. Als damals die Veranstaltungsreihe Werkstatt-Gespräch eingeführt wird, redigiert er regelmäßig pointierte Zusammenfassungen davon für die Mitglieder hier und in den Bundesländern. Diese Berichte gelten als Vorläufer für die seit 1979 erscheinenden Hefte des UMBAU.
Sein Leben umfasste zahlreiche Stationen: Die Kindheit verbrachte Orsini-Rosenberg noch vor 1938 in Kairo, Ljubljana und Den Haag, die Studienzeit nach 1950 in Wien, Basel und Salzburg. Die ersten Projekte mit Büro 21 entstanden in Klagenfurt. Dann kam das Intermezzo-Jahrzehnt in Wien, die Begegnungen mit Geistesverwandten, lokal und überregional in allen Sparten – bis zur letzten Periode seines Schaffens, ab Mitte der 80er Jahre wieder permanent von Schloss Damtschach aus, dem ebenso kunstsinnig wie gastfreundlich geführten Sitz der Familie, nahe dem Wörthersee.
Biographisches Stenogramm Architekt Dipl. Ing. Felix Orsini-Rosenberg
Felix Orsini-Rosenberg, geb. 1929, stammt aus altem mitteleuropäischem Hoch-Adel, war innerhalb der weitverzweigten Familie und ihrer ausgedehnten Grundbesitze in Kärnten von Jugend an ein "Weißer Rabe" (oder auch „Schwarzes Schaf“); als Grundlage seiner Unangepasstheit nennt er unter anderem das nomadische Aufwachsen in kosmopolitischer Umgebung als Einzelkind, – der Vater diente und lebte mit der Familie als Botschafter Österreichs in den 1930er Jahren in Ljubljana, Wien, Den Haag und Kairo; Felix spielte lieber mit Dienstbotenkindern „auf der Gstetten“ oder am Strand von Scheveningen – als wohlangezogen bei offiziellen Feiern und Empfängen mitzumachen…..
Im März 1938, beim Einmarsch von Nazi-Deutschland in Österreich, war der Vater Botschafter in Kairo, musste von einem Tag zum anderen die Hakenkreuzfahne am Haus hissen, behielt aber auch die österreichische daneben, wurde aber am nächsten Tag abberufen, pensioniert und ging mit der Familie nach Kärnten zurück, widmete sich der Land- und Forstwirtschaft….
FOR, zuvor von Privatlehrern unterrichtet, kam in ein Internat mit HJ-Verpflichtung, nützte aber mit Kameraden vorhandene Löcher im Zaun zu kleinen Fluchten….Gymnasium in Villach, Matura 1948, 1949 nach Wien zum Architekturstudium an der Technischen Hochschule – auf Anraten der Mutter, die Wien für weltoffener hielt als Graz, wohin sonst die meisten aus Kärnten zur Universität gingen….FOR hatte von klein auf immer gezeichnet, wollte sogar Maler werden, hielt sich aber doch für nicht ausreichend talentiert; der Vater wollte, dass er beruflich sich der Landwirtschaft zuwende; das wollte FOR nicht; der Kompromiss war der technische Beruf des Architekten und Raumgestalters, der ihn auch unabhängig von Verortung zu Grund und Boden machen sollte….
Im Studium an der TH Wien bis 1957/58 gab es keine erinnernswerten Prägungen (damals lehrten dort Engelhart, Boltenstern, Kupsky, Lehmann), dafür die wichtige Bekanntschaft mit Gleichaltrigen: Hans Puchhammer und Gunther Wawrik, die ebenfalls „aus der Provinz“ gekommen waren, und sie machten ihn damals vor allem auf Le Corbusier aufmerksam, der an der TH unbekannt war bzw. verschwiegen wurde; (Wawrik seinerseits wurde um 1952 durch Ottokar Uhl, der bei Welzenbacher am Schillerplatz studierte, auf Corbu hingewiesen – die Studenten der Akademie am Schillerplatz und der TH trafen sich oft beim Essen im billigen Ausspeisungs-Lokal O.K. am Karlsplatz); Gunther Wawrik erinnert sich, dass FOR damals immer in knielanger, speckiger Lederhose und mit dicken Wollpullovern erschien….
1955 wichtige Erfahrungen durch die Teilnahme an der Internationalen Sommerakademie in Salzburg im Architekturseminar bei Hermann Baur; anschließend 1956/57 Praxiszeit von FOR im Büro Baur in Basel. (Im Gründungsjahr der Salzburger Sommerakademie hatte der Schweizer Hans Hofmann den Architekturkurs geleitet, 1954 folgte ihm in der Funktion Clemens Holzmeister, 1955 Hermann Baur aus Basel, 1956 dann Konrad Wachsmann). Baur war einer der angesehensten Exponenten der Moderne in Mitteleuropa, war schon 1929 bei der Gründung der CIAM in La Sarraz dabei, hatte schon vor 1938 große Kirchen und Schulen gebaut, wurde nach 1945 zum führenden Gestalter von Kirchen, Schulen, Krankenhäusern in der Schweiz und forcierte die Integration der modernsten zeitgenössischen Kunst in die sakrale Architektur…
Im Büro Baur arbeitet damals schon einige Zeit ein anderer Jungarchitekt aus Kärnten, Ernst Hildebrand, sowie der junge Walter Förderer – am Tisch gegenüber von FOR, der auch am Wettbewerb von Hildebrand für das Krankenhaus Klagenfurt mitwirkte, den Hildebrand gewann, und der Hildebrand – und in der Folge auch den befreundeten, auch aus Kärnten stammenden, in Paris wirkenden Avantgardekünstler Hans Bischoffshausen – nach Kärnten zurückführte…..
Von Basel fuhr FOR mit dem gelben Motorrad nach Ronchamp, wo eben die Wallfahrtskirche von Le Corbusier eröffnet wurde – ein Kulminationspunkt jener Aktivitäten zwischen „Kunst und Kirche“, die nach 1945 von Frankreich aus und mit den Dominikanern P. Regamey und Abbé Paul Couturier eine radikale Modernisierung, Erneuerung von Liturgie und Kirchenbaukunst intendierten, – ein anderer Fokus war die berühmte Rosenkranz-Kapelle von Vence, gestaltet von Henri Matisse 1948-51, unterstützt von P. Couturier und Auguste Perret...
1955 vermittelt durch Baur auch Entdeckung des wegweisenden Buches „Kunst und Kirche im XX. Jahrhundert“ von Regamey, das damals auf Deutsch in Salzburg erschien, das für FOR „eine zweite Bibel“ wird und ihn u.a. mit den epochalen, einfachen Kirchenum- und -neubauten meist aus Ruinenmaterial um 1950 in Deutschland bekanntmacht, – mit den Werken und der Philosophie von Emil Steffan, Hans Döllgast, Rudolf Schwarz und Otto Bartning…..Gemeinsam ist/war diesen liturgischen, baukünstlerischen und künstlerischen Erneuerungen die „Entprächtigung“ aller Strukturen, der strikte Abstand zu jeder rituell-traditionalistischen, mit ideologischem Pomp äußerlich beeindruckenden „Kultur“, die bloß das kollektive, passive Konsumverhalten der NutzerInnen bedient – es ist/war vielmehr eine „arte povera“ der bewussten „Armut“ und Reduktion an Mitteln und Formen, um eine Erneuerung und Vitalisierung geistiger Substanz von den inhaltlichen Quellen her freizusetzen…
In den 50er Jahren auch die Begegnung mit der Pfarrkirche in Salzburg-Parsch, gestaltet von Arbeitsgruppe 4, – ein Umbau von traditioneller Altsubstanz in eine neue Raumfigur mit Einbeziehung moderner Kunst – Oskar Kokoschka, Josef Mikl….aber auch Wahrnehmung der frühen Reformbestrebungen in der Liturgie in Österreich, Öffnung kirchlicher Institutionen zur Avantgarde der Kunst, Galerie nächst St. Stephan, Monsignore Otto Mauer….Wahrnehmung der ersten Kapellen und „Notkirchen“ in Wien von Ottokar Uhl…
1960 heiratet FOR; Frau Brigitte Orsini-Rosenberg hatte bei Oswald Haerdtl an der Angewandten studiert und in Paris die Avantgarde um Jean Prouvé und Le Corbusier kennengelernt…1961 Gründung der Galerie Hildebrand durch Heiderose und Ernst Hildebrand in Klagenfurt, die bis 1970 Ausstellungen und Debatten internationaler Avantgarde zeigte, die man in der Form in Wien z.B. nicht sehen konnte (Kontakte zu Bischoffshausen in Paris und die Folgen)…
1965 Gründung der Österreichischen Gesellschaft für Architektur in Wien, wo von Beginn an der Dialog mit bildenden und darstellenden Künsten existentiell war, auch die Öffnung zur Literatur und zu anderen Geisteswissenschaften …
Aus Kärnten werden der aus Düsseldorf zurückgekehrte Karl Hack und FOR sofort als kooptierte Vorstandsmitglieder in die ÖGfA integriert, erste Ausstellung der ÖGfA über „Neue städtische Wohnformen“ in St. Veit an der Glan 1966, erste Projekte in diesem Genre von FOR mit jüngeren Kollegen – „Siedlungsprojekt Klagenfurt-Ebenthal“; Karl Hack aus Villach wird zum exponierten Sprecher einer Innovationsbewegung in Stadt- und Landesplanung – und wird für FOR wichtigster Freund und Bezugsperson in diesem Metier….ein weiterer wichtiger Freund wurde der rebellische Dichter und Kultur-Gesellschaftskritiker Michael Guttenbrunner (verheiratet mit einer Tochter von Carl Zuckmayer)…
1968 – FOR organisiert eine Tagung „Kunst und Kirche“ in Kärnten in St. Georgen am Längsee…
1969 FOR Mitbegründer des Büro 21 in Klagenfurt (mit Klaus Holler, Franz Dieter Jantsch, Franz Freytag, Wolfgang Rausch, Karl Murero), erste größere Aufträge; Gründung der internationalen Bildhauersymposien „Krastal“ in Kärnten nach Vorbild der von Karl Prantl begründeten Symposien im Steinbruch von St. Margareten, mit dabei Otto Eder, Meina Schellander, Barna v. Sartory – riesiges Eröffnungsfest bei FOR im Schloss Damtschach…
1969 auch wieder an der Sommerakademie Salzburg diesmal bei Arch. Bakema aus den Niederlanden, ein damals führender Kopf in Europa, der städtebaulich und stadträumlich neue Ansätze brachte; FOR erinnert sich speziell an Bakemas sprachliche Vermischung von Holländisch, Deutsch und Englisch, u.a. pflegte er zu sagen, wenn über eine Sache „nachgedacht“ werden sollte: „da muss man Andacht dazu haben…“ – eine sehr prägnante, nachdenkenswerte „Fehlleistung“ oder besser: originäre Wortbildung, wie sie in ähnlicher Form auch FOR bei vielen Gelegenheiten und spontanen Kommentaren ungeniert auch öffentlich aussprechen konnte….
1970 Österreichischer Architekturkongress (ÖGfA) in Payerbach im ehemaligen Landhaus Khuner von Adolf Loos….(Hack, Bischoffshausen, Achleitner, Uhl, Kurrent, Windbrechtinger, Benevolo u.a.)…
1972 Seebad Loretto mit Karl Hack als „Familienauftrag“ am Grundstück des im Besitz von Heinrich Orsini-Rosenberg befindlichen Schlosses Loretto am Wörthersee….
1975 Übersiedlung der Familie FOR nach Wien zum Zweck des Schulbesuches der Kinder in einer Waldorfschule, erneuerte Kontakte mit Wawrik, der FOR im Moment der drohenden Auflösung der ÖGfA nach dem erschöpfenden Projekt der Ausstellung „Österreichische Architektur 1945–75“ vorschlägt, als Sekretär der ÖGfA zu wirken und mit ihm und jüngeren Kräften eine Erneuerung der ÖGfA anzugehen…
1976 bis etwa 1980 – FOR-Werkstattberichte über die nun regelmäßig in der ÖGfA in Wien stattfindenden Vorträge und „Werkstattgespräche“, Baustellenbesuche – als ÖGfA-Aussendung zur Kommunikation mit den rund 200 Mitgliedern in den Bundesländern, – „Vorform“ der ab Ende 1979 erscheinenden Hefte UMBAU, die dann zweimal jährlich die Szene der ÖGfA mit internationalem und interdisziplinärem Anspruch dokumentieren und kommunizieren…
1985 Rückkehr FOR nach Kärnten, Schloss Damtschach, Gestaltung der Kapelle im Diözesanhaus in Klagenfurt, – heute leider zerstört, 1982–85 Bau des Hauses Seilern bei Mürzzuschlag, 1987 bis 1993 Umbau der Kirche in Welzenegg (mit Franz Freytag) – dafür 1993 Zuerkennung von Kärntens Landesbaupreis.
Mit den schon erwachsenen Kindern Markus (Maler), Johanna (Schauspielerin) und Marie (Musikerin) organisiert Brigitte Orsini-Rosenberg ab den 1990er Jahren im Schloss und vor allem im einzigartigen Schlosspark zeitgenössische literarische, musikalische und theatralische Events, und es entstehen in diesen Genres auch verschiedene Auftragswerke.
80er und 90er Jahre – verschiedene temporäre Bauten und Gestaltungen für Papstbesuche im Österreich, für das Volksbegehren der Laien-Katholiken...
Letzter Kirchenbau, – nachdem die jahrelange z.T. konfliktreiche, z.T. auch sehr erfolgreiche „Beziehung“ zum katholischen Bischof Kapellari ein Ende gefunden hatte, – für die Evangelische Gemeinde in Gmünd: eine extrem schlichte und unscheinbare „Haus-Kirche“ mit komplexen inhaltlichen, raumtypologischen Facetten…FOR nennt oft wichtige Anregungen aus der protestantischen Kultur (auch Bischoffshausen kam aus dem vorwiegend protestantischen Ort Feld am See), von unorthodoxen Ideen und Akteuren des Kommunismus (Pasolini u.a.), aus engen Beziehungen mit radikalen Künstlern (Viktor Rogy u.a.) oder Literaten (Michael Guttenbrunner u.a.)…
An seiner großen Bibliothekswand im Eckzimmer Schloss Damtschach sind zwei Fotos angeheftet; das größere zeigt ein Porträt des Jesuitenpaters, Wissenschaftlers, Anthropologen und Philosophen Pierre Teilhard de Chardin, das kleinere Monsignore Otto Mauer, den Leiter und Mentor der legendären „Galerie nächst St. Stephan“ in Wien; Teilhard entwickelte von den 1930er bis zu den 50er Jahren eine Synthese naturwissenschaftlicher Evolutionstheorie und christlicher Heilsgeschichte. Seine Bücher „Le phenomene humain“ oder „Le milieu divin“ waren revolutionär, zu seinen Lebzeiten vom Vatikan „verboten“, konnten erst nach seinem Tod 1955 dann in Übersetzungen und großen Ausgaben weltweit erscheinen…
2018 filmische Aufzeichnung eines Gespräches von FOR mit Otto Kapfinger in Schloss Damtschach durch den bekannten Dokumentarfilmer Caspar Pfaundler, initiiert durch DI Elise Feiersinger und den Verein „Zweite Stiege“, 2019 öffentliche Vorführungen in Klagenfurt, Villach und im Wiener Filmmuseum.
FOR war zeitlebens und bis ins hohe Alter ein unangepasster „Freigeist“, persönlich in Habitus und Komfort-Ansprüchen extrem bescheiden, – und zugleich geistig höchst anspruchsvoll, mit den herrschenden politischen und bürokratischen Instanzen immer auf Kriegsfuß, ein Schirmherr unaufdringlicher Art für Gleichgesinnte aus allen Kunstsparten. Zu seinem 80er wünschte er sich im Schloss Damtschach die Aufführung des Films von Pier Paolo Pasolini "Das Evangelium nach Matthäus"…
Text: Otto Kapfinger 2018
FOR erhielt 1998 den Würdigungspreis des Landes Kärnten für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Architektur und für Verdienste um die Baukultur.
2015 ernannte ihn die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt zu ihrem Ehrenbürger.
Architekt Dipl. Ing. Felix Orsini-Rosenberg starb am 15. Februar 2020 im 91. Lebensjahr