Anna Lülja Praun
1997 Verleihung der ÖGFA Ehrenmitgliedschaft
Persönliche Daten
Ausbildung
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen
Vita
Werke (Auswahl)
Ausstellungen
Quellen (Auswahl)
Anmerkungen
Persönliche Daten
Anna-Lülja Praun
geb. Simidoff
* 29.05.1906, St. Petersburg, Russland
† 28.09.2004, Wien
Ausbildung
1924-1939 | Studium der Architektur, Grazer Technische Hochschule, u.a. bei Ferry Zotter und Wunibald Deininger |
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
1930-1936 | Mitarbeit im Atelier Herbert Eichholzer, Graz | |
1937-1938 | Mitarbeit im Atelier Clemens Holzmeister, Wien | |
1939-1940 | Architektin, deutsche Firma, Sofia, Bulgarien | |
1940-1941 | Architektin, Bulgarische Hauptdirektion für Eisenbahnen, Sofia, Bulgarien | |
1941-1942 | Architektin, Direktion für Wasserverkehr, Sofia, Bulgarien | |
1942-1952 | Ehe mit Richard Praun; während dieser Jahre entstanden nur einige wenige Gemeinschaftsarbeiten | |
ab 1952 | Eigenes Atelier | |
1954-1958 | Leitung des Einrichtungshauses „Haus und Garten“ gemeinsam mit Leo Calice-Kalmar |
Auszeichnungen
1981 | Preis der Stadt Wien für angewandte Kunst | |
1997 | Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der ÖGFA | |
1999 | Ehrung durch die bulgarische Kulturministerin Emma Moskova im Bulgarischen Kulturinstitut, Haus Wittgenstein, Wien | |
2001 | Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse | |
2002 | Ehrendoktorat der TU Graz | |
o.J. | Ehrenmitglied der Kunstuniversität Linz |
Vita
Anna-Lülja Praun war eine energetische und emphatische Persönlichkeit, mit der man über vieles intensiv diskutieren konnte. Verschlossen war sie nur in Hinblick auf ihr eigenes Werk, über das sie selten und eher ungern sprach. Obwohl ihre Arbeit in den beiden letzten Jahrzehnten ihres Lebens – spät, aber doch – durch Ausstellungen und Publikationen Anerkennung fand, meinte sie stets, „maßlos“ überschätzt zu werden, und wies immer wieder, ganz im Sinn von Josef Frank darauf hin, doch nur „Selbstverständliches“ gemacht zu haben.
Als Tochter der russischen Ärztin Alexandra Baranoff und des bulgarischen Verlegers Boris Simidoff 1906 in St. Petersburg geboren, verbrachte Anna-Lülja ihre ersten drei Lebensjahre im noch zaristischen Russland; später zog die Familie nach Bulgarien. Das kosmopolitische Elternhaus und der frühe Kontakt mit unterschiedlichen Kulturen prägten die Heranwachsende nachhaltig* Da Anna-Lülja neben Russisch und Bulgarisch auch Deutsch beherrschte (eine Sprache, die sie von ihrer österreichischen Erzieherin und in der Schule erlernt hatte), entschloss sie sich nach der Matura 1924, ins Ausland zu gehen. Die Technische Hochschule in Graz erfreute sich damals eines besonders guten Rufs, also schrieb sie sich dort bei Professor Friedrich Zotter und Wunibald Deininger ein – als einzige Frau unter lauter männlichen Architekturstudenten. Zwischen 1930 und 1936 arbeitete sie noch während ihres Studiums im Atelier von Herbert Eichholzer, der ein Jahr lang bei Le Corbusier volontiert hatte und damals zu den wichtigsten Vertretern der Avantgarde in der Steiermark zählte. Aufgrund ihrer engen Verbindung zu diesem politisch engagierten und von den Nazis verfolgten Architekten wurde sie für eine Nacht verhaftet und musste ihr Studium unterbrechen; Eichholzer wurde 1943 als Widerstandskämpfer hingerichtet.
Noch vor Abschluss ihres Studiums erhielt Anna-Lülja Gelegenheit, im Atelier von Clemens Holzmeister am Wettbewerb für das Parlament in Ankara und am Projekt für das Salzburger Festspielhaus mitzuwirken. Im Zuge dieser Arbeiten lernte sie auch den Architekten Richard Praun, einen Schüler Oskar Strnads, kennen. Nach Studienabschluss 1939 verließ die Architektin Graz, ihr Weg führte sie über Berlin und Paris zunächst nach Bulgarien zurück; nach einem Jahr Planungstätigkeit für die bulgarische Eisenbahndirektion wechselte sie in die Direktion für Wasserverkehr. Im März 1942 verließ sie Bulgarien erneut, um in Wien Richard Praun zu heiraten (und die gemeinsame Tochter Svila zur Welt zu bringen). Obwohl die beiden Prauns den gleichen Beruf ausübten, arbeiteten sie während ihrer Ehe kaum jemals zusammen. Zu den wenigen Ausnahmen zählen die Einrichtung des Speisezimmers der österreichischen Botschaft in Ankara, Möbelentwürfe für die Firma Ankerbrot, ein Städtebauwettbewerb in der türkischen Stadt Izmir und die eigene Wohnungseinrichtung in Wien. Nach der Trennung von ihrem Ehemann 1952 eröffnete Anna-Lülja ihr eigenes Atelier in Wien, ab 1954 arbeitete sie zusätzlich in dem 1925 von Josef Frank und Oskar Wlach eröffneten Einrichtungshaus „Haus und Garten“, gemeinsam mit Lea Calice führte sie das Unternehmen im Geist der Gründer bis 1958 weiter und entwickelte eigene, gleichermaßen elegante wie erschwingliche Möbel. Schon bald nach Beginn ihrer selbständigen Tätigkeit wurden wesentliche Gestaltungsprinzipien sichtbar* ein Gesamtkonzept, das von den zentralen Faktoren Konstruktion, Symmetrie, Leichtigkeit und Transparenz bestimmt war. Form, Funktion und Material sollten mit den einfachsten Mitteln in Einklang gebracht werden.
Wie bei den Entwürfen von Strnad und Frank sind auch bei Anna Lülja Praun in den Raumfolgen und den lockeren Möbelarrangements die Zielvorstellungen der Nutzung erkennbar. Die Qualität der zum Teil aufwändigen Maßanfertigungen liegt bei ihr jedoch vorwiegend in der feinfühligen Beziehung zwischen Konzept und Umsetzung im kostbaren Material* Edle Hölzer, Nirostahl, Messing, Stein und Leder.
Anna-Lülja Praun ist in der Architektur- und Designgeschichte Österreichs im 20. Jahrhundert eine herausragende Erscheinung, eine Einzelgängerin, deren Arbeiten einen wesentlichen qualitativen Beitrag zur Wiener Einrichtungs- und Wohnkultur leisten.
Die Bandbreite ihrer Arbeiten reicht von Einzelmöbeln über Geschäfts- und Wohnungseinrichtungen bis hin zu Häusern und Segelyachten. Zu ihren Bauherr*innen zählten Künstler*innen wie Alfred Brendel, György Ligeti und Gudrun Baudisch, Ärzte wie Prof. Joseph Böck, Prof. Peter Brücke, Dr. Parusch Tscholakoff und Unternehmer wie Wolfgang Denzel, Franz Sailer, Dr. Hermann Anders und Harald Schrack. Anna-Lülja Prauns Einrichtungen entstanden niemals unter dem Diktat eines Stils. Sie empfand sich primär als Handwerkerin und wäre, wie sie selbst konstatierte, nicht in der Lage gewesen, rein intellektuell an eine Aufgabe heranzugehen. Ihr war es wichtig, die Persönlichkeit der Bauherr*innen in ihren Entwürfen zu berücksichtigen. Daher war eine der zentralen Voraussetzungen für ihre Arbeit der direkte persönliche Kontakt zu den Auftraggeber*innen. Aus dem Austausch am konkreten Projekt sind oft lebenslange Freundschaften entstanden. Gelang dieser Dialog nicht, zog sie es vor, einen Auftrag abzulehnen.
Anna-Lülja Prauns Gesamtwerk ist durch viele direkte und indirekte Einflüsse geprägt und letztlich nur in Verbindung mit der Darstellung ihrer Person, ihrer Geschichte und ihres Werdegangs zu vermitteln. Das kosmopolitische Elternhaus und das frühe „Einleben“ in unterschiedliche kulturelle Kontexte in Russland, Bulgarien, Frankreich und Österreich schulten ihre Fähigkeit, die unterschiedlichsten lokalen Traditionen wie selbstverständlich in ihre Entwürfe zu integrieren. Auch die intensive Auseinandersetzung mit der internationalen Moderne während ihres Studiums in Graz hat in ihrem Werk nachhaltig Spuren hinterlassen.
Anna-Lülja Prauns Entwürfe ließen bis zuletzt die Wertschätzung für die handwerkliche Qualität des „Wiener Möbels“ erkennen. Ihre Projekte zielten nicht primär auf innovative oder dem Zeitgeschmack angepasste Lösungen ab, sondern wurden jeweils aus der vertieften Einlassung auf konkrete Anforderungen individuell als „Einzelfälle“ entwickelt. Diese konsequente Haltung dem Produkt, den Auftraggeber*innen und den Handwerker*innen gegenüber, hat ihr gesamtes Berufsleben geprägt und ein subtiles Werk von dauerhafter Zeitgenossenschaft hinterlassen.
(Martina Kandeler-Fritsch, 2.2.2024)
Werke (Auswahl)
1938 | Kasino. Restaurant mit Garten und Schiffsstation, Sozopol, Bulgarien | |
1949 | Tisch für die eigene Steinsammlung | |
1952 | Gästräume, Fa. Schöller-Bleckmann, Mürzzuschlag | |
1952-1953 | Besprechungstisch und Arbeitstisch, Fa. Schöller-Bleckmann, im Zacherlhaus, Wien | |
1952 | Eigene Wohnung / Atelier, Bennogasse, Wien-Josefstadt | |
1952 | Bett Dr. Juvan, Ternitz | |
1955 | Wohnung Meinhard von Zallinger, München | |
1955 | Sessel F.L.P. für Haus & Garten | |
1955 | Ess- und Couchtisch für Haus & Garten | |
1956 | Sitzbank für Herbert von Karajan | |
1956 | Sessel Grassi | |
1956 | Wohnung Barbara Pflaum, Wien | |
1957 | Ausziehbarer Plattenspieler | |
1960 | Möbel für Modesalon Susi Kotzinger, Wien | |
1960 | Einrichtung Schauraum Fa. Storck Stoffe, Am Kohlmarkt, Wien | |
1960 | Sessel und Tische, Wintergarten (nach Plänen von Richard Praun) Hofburg, Wien, anläßlich der Tagung der internationalen Atomkommission | |
1961 | Wohnung Alfred Brendel, Ungargasse, Wien | |
1964 | Wohnung Gudrun Baudisch, Salzburg | |
1965-1971 | Umbau & Einrichtung Wohnung Hermann Anders, Wien | |
ab 1965 | Umbau & Einrichtung Haus Wolfgang Denzel, Wien-Hietzing | |
1967 | Ausstellungsgestaltung in der “Angewandten”, Schwerpunkt Design der Zwanzigerjahre, besonderer Augenmerk auf Eileen Grey. | |
1968-1969 | Innenausstattung Segelyacht Iorana, Wolfgang Denzel | |
1973 | Umbau & Einrichtung Berghaus Denzel, St. Anton | |
1975-1976 | 1. Galerie Familie Sailer, Salzburg | |
1976-1978 | Umbau & Einrichtung ZweigniederlassungFa. Laevosan, Wien-Landstraße | |
1976 | Haus Evelyn und Parusch Tscholakoff, Wien | |
1976 | Nachtkästchen Thomas Graf Calice, Wien | |
1978 | Direktions-Speiseraum Fa. Wolfgang Denzel, Parkring, Wien | |
1980 | Zubau / Umbau / Einrichtung Haus György Ligeti, Wien | |
1981 | Bücherregale & Bänke, Wohnung Prof.Arch. Rolf Gutbrot, Berlin Dahlem | |
1981 | Einrichtung Wohnung Wolfgang Denzel, Zug, Schweiz | |
1982 | Umbau & Einrichtung Haus Ingrid und Franz Sailer, Salzburg | |
1982 | Einrichtung Haus Peter Piller, Wien | |
1982 | Zwillingshaus in Arles, Südfrankreich | |
1983 | 2. Galerie Sailer, Dorotheergasse 7, Wien | |
1984 | 3. Galerie Sailer, Wiener Philharmoniker-Gasse 3, Salzburg | |
1984 | Einrichtung Haus Stolberg, Wien (1951, Couchtisch erstmalig mit Richard Praun entwickelt) | |
1984 | Zubau / Umbau Mas de L'Hoste, Wolfgang Denzel, Arles, Südfrankreich | |
1985 | Haus Lang, Salzburg (Stiege) | |
o.J. | Haus Brücke, Linz (Stiege) | |
1974 | Möbelentwürfe Segelyacht Movesita | |
60. Jahre | Inneneinrichtung Keramik Hallstatt, Gudrun Baudisch | |
80. Jahre | Einbaukasten, Wohnung V. Jacobsen | |
1965 | Tisch, Dr. Josef Böck | |
50er J. 1986 1991 1996 2000 2000 |
Sessel und Sitzbank, Fa. Awa, Heinrichshof, Wien Kästchen für kleine Sammlerstücke für Ilse Helbich, Wien Arbeitspult für Dr. Vavrovsky, Salzburg Schmuckbox für Clarisse Praun, Wien Arbeitspult für Dr. Bühler, München Möbel für Haus Delphin, Klaus und Sylvia Mutschler |
Ausstellungen
1986 | Ausstellung in der Galerie Würthle, Wien, zum 80. Geburtstag. Organisiert & kuratiert von Aneta Bulant-Kamenova und Dany Denzel | |
1994 | Ausstellung in der Galerie Gadenstätter, Zell am See | |
1996 | Ausstellung in der Galerie Serafin, Wien | |
1997 | Anna-Lülja Praun – Werkschau der Architektin, Buchhandlung Minerva, Stubenring, Wien. Organisation ÖGFA, Kuratorin Judith Eiblmayr | |
1999 | Festspielausstellung in der Galerie Sailer, Salzburg | |
2001 | Anna-Lülja Praun. Werk und Lebensschau der Architektin zum 95. Geburtstag im Haus Wittgenstein. Als Wanderausstellung in Sofia (August 2001), Salzburg (Okt. 2001), Graz (März 2002). Konzeption und Gestaltung: Judith Eiblmayr, Projektleitung: Lisa Fischer |
Quellen (Auswahl)
Austria-Forum / TU Graz
Pionierinnengalerie Graz: Anna-Lülja Praun (1906 – 2004)
biografiA. biografische datenbank und lexikon österreichischer frauen, Wiener Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK): Praun Anna Lülja. Architektin
gat. Architektur Steiermark: Anna-Lülja Praun 1906 – 2004
Aneta Bulant-Kamenova, Dany Denzel (Hg.innen): Anna-Lülja Praun – Möbel, Einrichtungen und Bauten, Ausstellungskatalog, 1986
Judith Eiblmayr, Lisa Fischer (Hg.innen): Anna-Lülja Praun: Möbel in Balance ; Werk- und Lebensschau zum 95. Geburtstag, Ausstellungskatalog, 2001
Martina Kandeler-Fritsch: Entwicklungslinien und Grundsätze im Werk von Anna-Lülja Praun, Diplomarbeit, 2008
Anmerkungen
Künstler*innen mit/über Anna-Lülja Praun
Carola Dertnig: DOKUMENTARISMEN | Der Nachlass der Architektin Anna Lülja Praun
Nicole Six und Paul Petrisch: Anna-Lülja Praun (1906-2004)
Beiträge über Anna-Lülja Praun im UM_BAU
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Otto Kapfinger: Rede für Anna Lülja Praun |
Der Nachlass befindet sich im MAK - Museum für angewandte Kunst Wien.
Verein Prenninger Gespräche: Programmschwerpunkt 2018 war das Leben und Werk von Anna Lülja-Praun, Mitglied des „Prenninger Kreises“. In diesem Rahmen wurde auch der Anna-Lülja Praun Möbelpreis ausgeschrieben. Die Ausstellung fand im HdA 2019 statt.