50 Jahre Wachstumskritik
Podiumsdiskussionmit Rudolf Kohoutek, Gottfried Pirhofer (angefragt), Brigitte Redl, Fritz Waclawek, Respondenz: Kollektiv AKT, Marie-Theres Okresek / bauchplan,
weiterlesen …Kurz vor Jahresende liegt nunmehr die Doppelnummer UmBau 15/16 vor, an deren Umfang der zeitliche Abstand zur letzten Ausgabe sichtbar wird. Schwerpunkt dieses Heftes ist der urbane Raum, seine Definition und Handhabung sowohl in der Planung, im theoretischen Diskurs als auch im täglichen Gebrauch. Stadt und Stadtentwicklung sind nach jahrzehntelanger Vernachlässigung wieder und immer mehr ein Thema öffentlichen Interesses. Dies bestätigen auch die zahlreichen Veranstaltungen verschiedener kultureller sowie politischer Institutionen.
Die großflächige Verdichtung, die Wien, Graz, Innsbruck und vergleichbare Städte in Europa prägt, deckt mehrere verallgemeinerbare Problemkreise im Städtebau auf. Diese Bautätigkeit findet einerseits im festen Kontext der gewachsenen Stadt, andererseits aber in Stadterweiterungsgebieten sowie an der so genannten Peripherie statt. Die dabei hauptsächlich realisierten, monostrukturell ausgelegten Nutzungseinheiten (Wohngebiete, Industrie- und Gewerbebetriebe, Verkehrsbänder etc.) bewirken mehr oder weniger artikulierte Neudefinitionen (un)städtischen Raums. Die Verknüpfungen von Alt und Neu verwirklichen sich meist nur auf infrastruktureller Ebene, die räumlichen, sozialen, kulturellen Kontexte werden nicht aufgebaut. Die Stadtwerdung verkürzt sich auf die Verwertung benachbarter Liegenschaften und die unauffällige Archivierung des ruhenden Individualverkehrs.
Dieses formpluralistische Nebeneinander einzelner in sich stimmiger Projekte entbehrt aber zu oft derjenigen Bezüge, die die Multifunktionalität einer Stadt, letztlich die Urbanität eines Stadtraumes und der sich dort vollziehenden Lebensgänge entstehen lassen. Die so entmischte Stadt leidet unter mangelnder Affinität ihrer Teile, es ist eine Stadt mit beschränkter Haftung in allen Aspekten – mit Ausnahme der Ökonomischen.
Versteht man Stadt im Sinne eines abstrakten Systems als Konstrukt, an dem verschiedene Interessenvertreter bewusst oder unbewusst Hand anlegen, so ist zu präzisieren, wie städtebauliche Ordnung definiert werden kann, um den Anforderungen von Komplexität, Unstetigkeit und den permanenten Umformungsprozessen zu genügen.
Die am Stadtwerdungsprozess beteiligten Personen und Professionen in einen inhaltlichen Dialog zu bringen, um die Ressentiments aufzubrechen, die zwischen den einzelnen Interessenvertretern herrschen, war Intention des Symposiums zu den Entstehungsbedingungen des Urbanen mit dem Titel „Stadt m.b.H.“, das die ÖGFA im November 1996 veranstaltete. Für das Zustandekommen des Symposiums sowohl auf inhaltlicher als auch auf organisatorischer Ebene zeichnet das Projektteam Irmgard Frank (Projektleitung), Walter Chramosta, Felicitas Konecny, Andreas Lichtblau und Arno Ritter verantwortlich. In intensiven Diskussionen haben sich sowohl die fünf Themenschwerpunkte als auch die organisatorische Form des Symposiums herauskristallisiert. Die inhaltliche Definition der fünf Themenkreise finden Sie unter den nachfolgenden Titeln in diesem Heft:
„Das Bild der Stadt! Fiktion vs. Realität?“, „Partizipation: Qualität durch abgestimmte Veränderung?“, „Normative Aspekte im Städtebau – eine Strukturdebatte“, „Wertschöpfung im Städtebau – Investoren vs. Städteplaner“, „Technische Infrastrukturen – unsichtbare Wurzeln des Urbanen“.
Durch das Beleuchten einzelner Teilbereiche und das Zusammenführen in einer theoretischen Auseinandersetzung erwarteten wir andere Sichtweisen und neue Erkenntnisse am Weg zu einer synthetischeren Konzeption von Stadt – mit erhöhter Haftung der Teile im Räumlichen und Konzeptiven. Ausgehend von konkreten städtebaulichen Situationen in Wien und von permanent stattfindenden theoretischen Diskussionen, die auch im Kontext zu international geführten Diskussionen stehen, verfolgte die Veranstaltung das Ziel, Personen und Interessenvertretungen (Stadtbewohner, Politiker, Investoren, Bauträger, Raumplaner, Verkehrsplaner, Architekten, Landschaftsgestalter…) die in dieser Form nicht unmittelbar miteinander im Gespräch stehen, zu einem brisanten Thema in der aktuellen städtebaulichen Diskussion Stellung nehmen zu lassen.
Eine Auswahl der Beiträge des Symposiums ist in diesem UmBau zu finden, zugeordnet zu den jeweiligen Themenkreisinhalten. Hermann Czech charakterisiert in seinem Beitrag „Checkliste“ Muster urbanistischen Denkens und definiert vier zu hinterfragende Aspekte, die Denkgerüst für neue Erkenntnisse sein können. Christian Kühn geht in seinem Beitrag der Frage nach, wie sich Stadt für heutige Planer definiert und welche Veränderungen im Selbstverständnis des Planers damit verbunden sind. Helga Fassbinder führt aus, welche Möglichkeiten eine Enthierachisierung des Planungsprozesses (insbesondere auch eine veränderte Rolle der Architekten) eröffnet, im Rahmen einer „Kooperativen Planung“ die Betroffenen als „Alltagsexperten“ zu Beteiligten zu machen.
Jürgen Brand beschreibt die Abnahme des Grundkonsenses in einer sich ausdifferenzierenden Gesellschaft und die daraus resultierende Notwendigkeit, in Planungsprozessen diesen Konsens immer wieder herzustellen. Benjamin Davy entwirft ein Modell der städtischen Gesellschaft, das durch das Zusammenwirken von kontroversen, kulturellen Leitbildern charakterisiert wird und propagiert ein „Modell der Verhandlung und Vereinbarung“ anstelle des „Rechtsstreits“ als adäquates Rechtsinstrument. Josef Frühwirth beschreibt die vermittelnde Rolle des Wiener Bodenbereitstellungs- und Stadterneuerungsfonds als Schnittstelle zwischen Genossenschaften bzw. Investoren und der Stadtplanung.
Michael Wagner-Pinter differenziert sehr präzise die Interessen verschiedener Kategorien von Investoren und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf die Stadtwerdungsprozesse. Joost Meuwissen definiert Kategorien und Begriffe von Stadt und Stadtplanung und leitet daraus ein verändertes Szenario von Stadt ab.
Im Kontext des Schwerpunktes dieses Heftes stehen auch die beiden Texte von Inge Podbrecky und Mark Wigley. Inge Podbreckys Text ruft uns in Erinnerung, dass das Thema Hochhaus in Wien nicht erst eines des letzten Jahrzehntes ist. Sowohl der damals geführte stadtplanerische Diskurs als auch die heutige Reflexion über die architektonische Herangehensweise an die Thematik ermöglichen eine diskursive Anbindung an heutige Debatten.
Mark Wigley demonstriert in seinem Text, dass die Angst vor dem „Lost in Space“ einen theoretischen Diskurs der Gegenstrategien hervorgerufen hat. Entgegen unseren bisherigen Gepflogenheiten, fremdsprachige Texte in deutscher Sprache als übersetzte Erstveröffentlichung zu bringen, wurde dieser Text in Originalsprache belassen, da sehr viele Sentenzen ihre spezifische Inhaltlichkeit in Verbindung mit dem sprachlichen Stil durch eine Übersetzung verloren hätten.
Würdigen Schlusspunkt des Heftes bilden die Laudatio für die Architektin Anna Lülja Praun, die Otto Kapfinger anlässlich der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Österreichischen Gesellschaft für Architektur im Säulensaal des MAK gehalten hat, sowie dessen Rede zum 70.Geburtstag von Johann Georg Gsteu.
UmBau 15/16
Österreichische Gesellschaft für Architektur (Hrsg.)
Verlag Österreichischer Wirtschaftsverlag Druck und Verlagsgesellschaft, Wien 1997
160 Seiten, mit SW- Abbildungen
ISBN 3-85212-94-2
Preis €19,95
Sprache deutsch
mit Rudolf Kohoutek, Gottfried Pirhofer (angefragt), Brigitte Redl, Fritz Waclawek, Respondenz: Kollektiv AKT, Marie-Theres Okresek / bauchplan,
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