Jubiläumsbauvisite 6: Juridicum (1970)
Ernst Hiesmayr
BauvisiteArchitektur: Ernst Hiesmayr
Mitarbeiter: Hermann Kittel, Rudolf Prohazka, Wieslaw Susul, Reinhard Gallister
Auftraggeber: Republik Österreich
Statik: Kurt Koss
Fassade: Rolf Schaal
Ausführung: Industriebau Gesellschaft
Das Gebäude für die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien ist in den ihm zugrunde liegenden Planungsideen ein typisches Projekt der 60er Jahre, das erst 1984 fertig gestellt werden konnte: Sowohl die aufwändige konstruktive Lösung als auch die räumliche Innovation entsprechen dem Geist der 60er. Ein ganzer gründerzeitlicher Wohnblock wurde für den Neubau abgerissen. An seine Stelle treten ein unterirdisches Hörsaalgeschoß, das in enger Verbindung zum freien Erdgeschoß steht, und darüber ein zehngeschossiges Gebäude mit Bibliotheks- und Institutsräumlichkeiten.
Um das Gebäude nicht auf die Saaldecken des Hörsaalgeschoßes stellen zu müssen, sah Hiesmayr vier Stahlbeton-Erschließungstürme vor, zwischen denen vier neun Meter hohe Stahlfachwerkträger mehr als 50 Meter überspannen. An dieser Konstruktion hängen mittels unverkleideter, wassergefüllter Stahlrohre sämtliche Obergeschoße. So konnte das Erdgeschoß transparent gehalten werden und sich zum Straßenraum öffnen, der rund um das Juridicum in eine Fußgängerzone umgewandelt wurde. Das Juridicum steht als spiegelnder Solitär im gründerzeitlichen Häusermeer und setzt sich somit massiv von der historischen Stadt ab. Die späte Fertigstellung war von sehr kritischer Aufnahme begleitet – die technizistische Umsetzung und die maximale Ausnützung des Raumes waren zu dieser Zeit nicht mehr akzeptabel.