UmBau 9 | 1985
deutsch, Eigenverlag, 150 S., €19,95 NUR MEHR WENIGE EXEMPLAREEs zählt zur Charakteristik der zeitgenössischen Baukultur, das Qualitätsansprüche nur mehr in spezifischen Marktnischen und im sporadischen, kleinmaßstäblichen Rahmen realisierbar erscheinen. Städtebauliche Formulierungen und stadtbildprägende Bauaufgaben sind heute in der politischen, bürokratischen und ökonomischen Strukturen ihrer Vorbereitung, Vergabe und Durchführung offenbar nurmehr den gleichartig instrumentierten Planungs- und Verwertungsgesellschaften zugänglich und angemessen.
Diese Fakten zu erkennen, bedeutet nicht, sie auch zu akzeptieren.
Ein Engagement für Architektur, bloß in mediale und persönliche Reservate eingegrenzt, ist der Gefahr ausgesetzt, sich unweigerlich zu verselbstständigen und Bezugspunkte abzubauen, wenn es nicht immer wieder, auf allen möglichen und verfügbaren Ebenen des Eingreifens vorgetragen und formuliert wird. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft sich der fortschreitenden Entfremdung zwischen Pragmatismus und Vision, Praxis und Theorie, Realisierung und Kritik zu widersetzen, bleibt die zentrale Herausforderung, die für Architekten und Gestalter ein vitales Element ihres Selbstverständnisses darstellt.
Die Parallelität, die Mischung von Groß und Klein, von stadtplanerischen Überlegungen, theoretischer Debatte und konkreten Projekten, die das vorliegende Heft kennzeichnet, möchte in diesem Sinn auch als Anregung und als Appell gelesen werden.
Einen inhaltlichen Schwerpunkt von UmBau 9 bilden fünf Texte zum Wiener Gürtel, jener wichtigen Strukturlinie der Stadt, die gegenwärtig einem umfangreichen Planungsprozess unterzogen wird.
Das Resümee dieser Beiträge, die das Thema im Einzelnen sehr konträr angehen, überlagert und verdichtet sich in der gemeinsamen Aussage, die in der Tagespolitik allzu oft geforderte "Eindeutigkeit" von planerischer Diagnose und Therapie entschieden zu relativieren, die Methoden von Analyse und Planung im großen wie im kleinen Maßstab mehr als bisher zu differenzieren und diesem ebenso prägnanten wie vielgestaltigen, stadträumlichen Ensemble im übrigen eher mit "Gelassenheit" als mit großer Gestaltungsgeste zu begegnen. Die nahe Stadtplanungszukunft wird zeigen, inwieweit der hier vorgelegte Problemaufriss den jetzt agierenden "Großprojektanten" zu denken gibt.
"In welchem Style sollen wir bauen" lautete, in Anspielung auf eine Debatte am Beginn des Historismus des 19. Jahrhunderts und auf den Aufsatzwettbewerb "Die alte und die neue Richtung in der Baukunst..." zur Jahrhundertwende, das Thema für schriftliche Einreichungen zum Josef-Frank-Stipendium 1984, wovon einige der preisgekrönten Beispiele in UmBau 9 erstmals publiziert werden.
Dass in etlichen der über dreißig eingelangten Texte ein hohes Maß an fundierter Verweigerung spürbar wurde, diese Fang-Frage im Sinn ihrer Provokation auch vordergründig zu beantworten, unterstreicht die Notwendigkeit und Aktualität einer grundsätzlichen Diskussion, die über die populären Slogans von Stadtbildpflege, Ensembleschutz, Neuem Regionalismus und Postmodernismus hinausreicht.
UmBau 9
Österreichische Gesellschaft für Architektur (Hrsg.)
Wien 1985
150 Seiten, mit SW-Abbildungen. €19,95