UmBau 8 | 1984
deutsch, Eigenverlag, 96 S., €19,95Vor fünf Jahren, im Dezember 1979, erschien der erste UmBau. Das allein wäre Grund genug, das Überleben, das "Trotzdem" zu feiern und wohlgefällig die errungene Bedeutung und Beachtung zu goutieren. Wären wir selbstentblößend sentimental, so kämen nun die Geschichten und Anekdoten zu Wort, die kleinen Abenteuer, die einer Zeitschrift nach fünf Jahren so zwischen den Seiten geschrieben sind. Dann wäre auch den so genannten treuen Käufern und Lesern zu danken, den Inserenten, den Buchhandlungen, den Druckern und Setzern und vor allem den Autoren, ohne die die Zeitschrift nicht möglich.....Sie wissen schon, wie solche Sätze enden.
Wir haben das Jubiläum anders begonnen, uns radikal die Frage gestellt: Weitermachen oder nicht? Mit dem Status des inzwischen Etablierten wollten wir uns nicht zufrieden geben. Nur zu wissen, dass es irgendwie immer qualifizierte Beiträge geben wird, um wieder einen UmBau produzieren zu können - dass allein war uns zu wenig. Die Zukunft schien uns weder heiß noch kalt, nur lauwarm. Wir blickten also zurück, betrachteten die letzten fünf Jahre....
UmBau erlangte seine Reputation nicht nur aufgrund seiner fundierten Beiträge, seiner Analysen und Kritiken. UmBau wurde auch gesehen als Bestandteil der Neuen Wiener Architektur (und das haben wir nicht nur aus Graz erfahren). Obwohl, allen Klaustrophobien und Paranoien zum Trotz, die Arbeiten dieser Architektur im UmBau nur selten zu Wort und Bild gelangten. Die einzige "Schuld" des UmBau war: zur richtigen Zeit am richtigen Ort entstanden zu sein. Einige klärende Daten dazu: 1980 die so genannte New-Wave-Ausstellung in den Vereinigten Staaten. 1982 die Ausstellung "Versuche zur Baukunst"und rundherum viele Österreich-Hefte der einschlägigen Medien. So wurde wieder einmal Wien entdeckt. Und am UmBau vermeinte man zu erkennen, dass in Wien so etwas wie eine Architekturdiskussion stattfinden könnte. (Auch wenn dem so wäre, würde es diese Stadt als allerletzte bemerken.)
Versuch einer Klarstellung: UmBau ist ein Projekt, die Reflexion und Diskussion der Architektur auf seinen Seiten, die ist ebenso in den realisierten Projekten der Architektur zu finden. Die Diskussion ist keine der Theorie und der Anschauungen, sie ist eine der Objekte selbst - diese fragen, analysieren und antworten. Deshalb war UmBau als Projekt eigentlich nach fünf Jahren fertiggestellt, abgeschlossen. Wir standen vor der Entscheidung: Einen Neubau beginnen - oder das vorhandene Projekt UMBAUEN. Die Wahl war eigentlich vorauszusehen: UmBau 8 liegt nun vor Ihnen.
UmBau 8 ist eigentlich ein Neubeginn; dass ist der langen Vorrede kurzer Sinn. Unter der Haut des vertrauten Erscheinungsbildes brodelt und gärt es, und dass kann ruhig in seiner ganzen Vieldeutigkeit gelesen werden. Denn dass wir noch lange mit "gewohnten Bildern" leben werden, dass Aushöhlung und innere Neuordnung aussen fast unsichtbar bleiben, dass Tarnung und Täuschung kulturelle Merkmale werden, dass Wahrheit im Spiel gefunden wird und sich am Grad der Listigkeit zu messen hat - davor bewahrt kein Wunsch mehr.
Unter der Haut - beginnen wir zaghaft und neugierig mit der "nackten" Publikation von Projekten und Realisierungen. (Damit nun endlich das Vorurteil bestätigt werde.) Möglichst ausführlich und gründlich soll dass geschehen, und dabei wird er der vorhandene "Raum" eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Ganz profan bestimmt hier UmBau, das Medium, die Botschaft. Projekte, die eine bestimmte Größenordnung überschreiten, werden aufgelöst, zerteilt in ihre Bestandteile. Das Ergebnis: Wer auf kleinem Raum nichts "zu sagen" hat, dessen "Größe" ist zumindest zweifelhaft. Architektur ist Gedankenarbeit pro Quadratzentimeter - alles andere ist Geschäft.
Unter der Haut - betrifft die zweite unsichtbare Veränderung die "Geschwindigkeit" UmBau soll, und dass ist wirklich ernst gemeint, wieder öfter erscheinen. Es wird dadurch seine kritische Zeitgenossenschaft zu belegen haben. Architektur, die Phänomene ihrer Betriebsamkeit, werden zu Kommentaren herausfordern. Dem historisch-analytischen Tiefenschnitt wird ein reiz-volles Kleid verpasst. Näheres in UmBau 9.
Diesmal stellt sich "Das Museum" in UmBau 8 zur Diskussion. Hans Holleins Abteiberg und James Stirlings "Monument" werden von Krischanitz, Kapfinger und Achleitner analysiert. Zwei marginale Merkwürdigkeiten seien dazu erlaubt: Von "archaischen Bildern" ist beim einen die Rede, und eine bildwirkende Suggestion von Video-Clip-Inszenierungen stellt sich ein. Ist vielleicht gar Peter Weibels "künstlicher Wille" zweckentfremdet und marmorgemeißelt als verdeckte Botschaft unter der Haut vorhanden? Und mit Laurence Sterne vergleicht Friedrich Achleitner James Stirling in einer Anmerkung. Zufall oder nicht - Sternes "Tristram Shandy" wird derzeit vom Zürcher Haffmans-Verlag in einer neuen Übersetzung von Michael Walter herausgebracht. Im bibliophil-nostalgischen Kleinformat und im zeitlichen Abstand der Originalausgabe von 1760 sollen die Bände erscheinen. Simulation oder Authentizität eines historischen Vorgangs? Eines ist gewiss und bestätigt Achleitner: Diesen "neuen" Tristram Shandy lesen und an Stirlings Staatsgalerie denken - da kippt die Geschichte und fällt als Methode in die Gegenwart. (Übrigens: Sie können die Haffmans-Typographie mit UmBau 8 vergleichen...)
Unter der Haut - der offiziösen Stadterneuerung fand Leopold Redl deren Alltäglichkeit. Ob sanft, behutsam oder als Reparatur - immer gesellt sich "Verlust" dazu. Widerlich am suggerierten "Wienneu" ist da die publizierte Harmonie.
Zentraler Beitrag von UmBau 8 ist die Bruno-Taut-Analyse von Oskar Putz. Farbe und Architektur - dass ist heute belegt von den Schockfarben der sechziger Jahre und den nur und nichts als "bunten" Färbelungsaktionen der Altstadtaktivisten. Sehnsucht nach Grau, Schwarz und Weiß hörte man schon als kulturelle Antwort. Was Farbe als Herausforderung, als künstlerisch-architektonischer Beitrag sein kann, das wird hier unzeitgemäß notwendig zurückgerufen.
Wir gestehen, dass die Analyse von Oskar Putz Anlass war, weder Kosten noch (Klebe) Arbeit zu scheuen, um auch den UmBau seiner schwarz-weißen Exklusivität zu entreissen. Der puritanische Leser sei beruhigt: Wir werden nicht bunt. Wir bekennen nur, dass Farbe ein sinnlicher und kultureller Bestandteil von Architektur ist und dieses nicht verschwiegen werden darf.
Soviel zum Umbau von UmBau.
UmBau 8
Österreichische Gesellschaft für Architektur (Hrsg.)
Wien 1984
96 Seiten, mit SW-Abbildungen. €19,95