UmBau 14 | 1993
deutsch, Eigenverlag, 96 S., €5,00 ABVERKAUFDer UmBau wird im vierzehnten Bestandsjahr seinem Namen in ureigenster Sache besonders gerecht. Einerseits ist mit dieser Ausgabe Otto Kapfinger als letztes der Gründungsmitglieder aus der Redaktion ausgeschieden, andererseits präsentiert sich die Zeitschrift von nun an in einem von Clemens Schedler konzipierten Redesign. Damit manifestiert sich auch im UmBau der Generationswechsel in der ÖGFA, der mit der Umbildung des Vorstands im Vorjahr endgültig vollzogen wurde. Die Generation der Gründer und Pioniere hat sich etabliert; neue Kräfte können nun unter den veränderten kulturellen, politischen und publizistischen Randbedingungen ihre Akzente setzen. So werden den UmBau bisher bestimmende, persönliche Verflechtungen abgeschwächt, aber gleichzeitig bei den Heften der Anfangszeit bewährte Entwicklungslinien wieder aufgenommen.
Beharrende und fortschrittliche Positionen im Widerstreit bestimmen jeden UmBau - auch den inhaltlichen und formalen des UmBau.
Dieser Wandel soll freilich die grundsätzliche Kontinuität des Mediums nicht in Frage stellen. So bedauerlich das Ausscheiden eines profilierten Meinungsträgers aus der Redaktion ist, so herausfordernd ist es, die Lücke mit neuem Elan und ungewohnten Sehweisen zu füllen. Der UmBau ist ein international anerkanntes Medium der – im besten Sinne – unaktuellen Reflexion über Architektur und muss als solches nicht mehr bekannt gemacht werden. Sein inhaltliches Konzept ist gültig, denn trotz der Fülle architekturbezogener Publikationen ist im deutschsprachigen Raum die Theoriebildung mehr denn je unterrepräsentiert. Seine grafische Identität ist markant, obwohl sich – gemessen am ersten Heft – über die Jahre ein Präzisionsverlust bei der Produktion eingeschlichen hatte. Sein Image ist in Anbetracht der sporadischen Erscheinungsweise erstaunlich gefestigt und die ihm in der Fachwelt entgegengebrachte, neugierige Erwartungshaltung ist ausgeprägt.
Anlässlich des lang erhofften und in vielen Phasen mühsam errungenen Erscheinens dieser Ausgabe konfrontiert sich die Redaktion mit dem nicht neuen Vorsatz, dem UmBau eine regelmäßige, gar halbjährliche Herausgabe und ein noch prägnanteres Profil zu sichern.
Neben der im Rahmen der bisher üblichen Jahresbudgets der ÖGFA nicht lösbaren Frage nach den materiellen Ressourcen für ein solches Vorgehen, stellt sich das Problem der organisatorischen Strukturen bei der Produktion des UmBau. Die Existenz bisheriger Ausgaben beruht auf der selbstausbeuterischen Tätigkeit einzelner Redaktionsmitglieder, die jeweils die Initiative zur Umsetzung an sich gerissen haben.
Es mag sein, dass im Vergleich zur Gründungsära die Zeitbudgets für ehrenamtliche Leistungen in der Architekturszene abgenommen haben; jedenfalls hat sich die ÖGFA, getragen von der festen Absicht, dem UmBau mehr Leben einzuhauchen, im Frühjahr 1993 genötigt gesehen, beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst um einen bei Weitem großzügigere Dotation der Redaktionsarbeit anzusuchen. So hatte endlich zumindest ein paraprofessioneller Herstellungsvorgang mit leidlichen Honoraren für die Autoren und die Redakteure garantiert werden können. Das Ansuchen wurde aber leider vom zuständigen Beirat abgelehnt.
So bleibt organisatorisch vorerst fast alles beim Alten, bis mit Hilfe anderer, nicht zuletzt auch privater Finanziers dem UmBau ein neuer Freiheitsgrad erschlossen wird. Die neuen personellen Verhältnisse und Ansätze drücken sich nun zumindest in einer optischen Präzisierung des UmBau aus. Die Übersichtlichkeit der Seiten und die Lesbarkeit der Texte konnte durch die Adaptierung des Satzspiegels und der Typographie verbessert werden. Der gezielte Einsatz der neuen Schrift, der bewährten Univers, im Sinne einer Standardisierung bisher zu inkonsequent gehandhabter Anwendungen, definiert nun den längst wünschbaren Gleichklang von Akkuratesse in Inhalt und Form. Die primäre Botschaft soll weiterhin in den Inhalten liegen, die buchstäbliche Form kann nur unterstützend wirken.
Die Redaktion sieht die Aufgabe des UmBau in einer Forcierung der fachübergreifenden Theoriebildung über Architektur. Wenn der UmBau ein programmatisches Fundament hat, das über die in den Vereinsstatuten formulierten, globalen Aufgabe der Österreichischen Gesellschaft für Architektur hinausgeht, dann ist es der Primat des Textes vor dem Bild. Das Wort soll zumindest gleichberechtigt neben dem erstklassigen Foto stehen, das Wort soll nicht der Diener auf den Augenkonsum angelegter bunter Bilderfolgen sein. Das leisten bekannte Periodika bereits hervorragend.
Absent ist trotz der publizistischen Schwemme eine Kontinuität der von der tagespolitisch bedingten Polemik losgelösten Architekturreflexion im internationalen Maßstab – insbesondere aus österreichischer Sicht. Der UmBau hat sich in dieser Betrachtung zeitgenössischer, hochwertiger Bauphänomene schon eine gute Tradition erworben und trachtet diese auch fortzusetzen.
So wird nun nicht erstmalig ein Bauwerk von Hans Hollein auf den Prüfstand gehoben; am Beispiel des Haas-Hauses stellt Michael Müller eine Selbstinszenierung von Architektur fest, eine Selbstdarstellung. Das Bauwerk dient sich, und die Grenzen zwischen den verschiedenen Bauaufgaben verschwimmen.
Über ein Museum von Hollein, das in Mönchengladbach, schrieben 1984 in UmBau 8 Otto Kapfinger und Adolf Krischanitz. Sie schrieben aus der Sicht von innen (von Wien aus) und, vornehmlich, aus der der praktizierenden Architekten. Wenn sie von einer „kulinarischen Doppelsinnstrategie“ sprechen, von „kalkulierten bildhaften Wirkungen“ anstelle von „funktional-konstruktiven Aussagen“ oder davon, dass die „Nerven der Kulinarik“ mit diesem Bau gereizt würden, so stehen ihre Gedanken neben denen des Kunst- und Kulturtheoretikers. Andere Bezüge des vorliegenden Aufsatzes ergeben sich zu einem über die Holleinsche Gestaltung der Ausstellung „Traum und Wirklichkeit“ in UmBau 9. Auch darin ist von Ästhetisierung die Rede und von Staunen angesichts einer Gestaltung, die jegliches Fragen verdrängt.
Das Thema Wohnbau/Siedlung dominiert das vorliegende Heft. Dabei unterscheiden sich die vier Aufsätze zu diesem Thema im Blickwinkel und sprachlich beziehungsweise atmosphärisch. Die Aufsätze zeigen also unterschiedliche Möglichkeiten der Architekturbetrachtung bei ein und demselben Thema. Abgedruckt sind hier ein (farb)theoretisch-analytischer Aufsatz; ein hermetisches Architekturmanifest mit der Praxis im Hintergrund, zwei Berichte von Architekturbegehungen, der eine versetzt sich in die Position eines Bewohners, der in der Siedlung lebt, der andere ist aus der des von außen (aus der Schweiz) kommenden Architekten mit seinen Assoziationen und Beobachtungen geschrieben.
Der Aufsatz über die Siedlung Pilotengasse setzt außerdem die Farbdiskussion von UmBau 8 fort. Schrieb damals Oskar Putz „Über das Verhältnis von Farbe und Architektur am Beispiel Bruno Taut“, so analysiert diesmal Markus Peter das Farbkonzept von Oskar Putz.
Mit dem Artikel von Irene Nierhaus schließlich hält, am Beispiel eines Innenraumes eines beinah sakrosankten Architekten der Wiener Architekturgeschichte, ein Thema in UmBau Einzug, das bisher nicht vertreten war, das aber hoffentlich eine Fortsetzung findet: das der geschlechterspezifischen oder –kritischen Betrachtung von Architektur.
Der UmBau wird sich nicht nur dieser Facette verstärkt zuwenden, um den vor fast drei Jahrzehnten formulierten Intentionen der ÖGFA zur Förderung der Baukultur eine qualifizierte Öffentlichkeit zu verschaffen.
UmBau 14
Österreichische Gesellschaft für Architektur (Hrsg.)
Wien 1993
ISSN 0256-2529
96 Seiten, mit SW- Abbildungen.