Regionale Kreisläufe Güssing
Christiane Brunner, Wien
VortragGüssing ist eine kleine Stadt im Südburgenland mit rund 4.000 EinwohnerInnen inmitten einer tendeziell strukturschwachen Region, die noch im Jahr 1988 zu den ärmsten Regionen Österreichs zählte. Durch die geografisch ungünstige Lage im Grenzgebiet gab es bis zu diesem Zeitpunkt keine größeren Gewerbe- oder Industrieansiedlungen und im gesamten Bezirk keine Verkehrsinfrastruktur – weder Eisenbahnstrecke noch Autobahn. Die Folgen waren Arbeitsplatzmangel, 70 Prozent Wochenpendler und eine hohe Abwanderungsrate. Zusätzlich zu diesen Problemen gab es eine starke Kapitalabwanderung durch Energiezukäufe, während vorhandene Ressourcen wie die 45 Prozent Waldanteil in der Region kaum genutzt wurden.
1990 wurde in Güssing ein Modell ausgearbeitet, das den 100-prozentigen Ausstieg aus der fossilen Energieversorgung vorsah. Ziel war es, zuerst die Stadt Güssing und in weiterer Folge auch den gesamten Bezirk durch einheimische nachwachsende und damit erneuerbare Energieträger zu versorgen und der Region auf diese Weise eine neue Wertschöpfung zukommen zu lassen. Dieses Modell umfasst die Bereiche Wärme, Kraftstoff und Strom. Erste Umsetzungsmaßnahmen betrafen konsequente Energieeinsparungen in der Stadt Güssing. Durch die energetische Optimierung aller im Gemeindezentrum befindlichen Gebäude konnten die Ausgaben für Energie beinahe halbiert werden. In der Folge wurde die Realisierung des Modells nach und nach mit dem Bau zahlreicher Demonstrationsanlagen zur Energieerzeugung vorangetrieben. 2001 konnte die Energieautarkie schließlich erreicht werden. In Güssing wird heute im Bereich Wärme, Kraftstoff und Strom in der Jahresbilanz mehr Energie aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugt, als die Stadt tatsächlich benötigt. Seit dem Ausstieg aus der fossilen Energie wurden in Güssing 1.000 Arbeitsplätze geschaffen, und der jährliche Energieumsatz von 13 Mio. Euro fließt nicht wie zuvor ab, sondern bleibt in der Region. Das hat in vielen Bereichen positive Auswirkungen.
So wurde ein nachhaltiger Regionalentwicklungsprozess in Gang gesetzt, in dessen Zug sich die „sterbende Region“ innerhalb von 15 Jahren in eine Region mit hohem Lebensstandard und großer Lebensqualität verwandelte. Güssing wurde in den letzten Jahren zur umweltfreundlichsten Stadt und innovativsten Gemeinde Österreichs gekürt. Die Stadt ist international als Energie- bzw. Biomassezentrum anerkannt und ist an zahlreichen Projekten aktiv beteiligt. Mittlerweile ist in Güssing auch ein Forschungszentrum für erneuerbare Energie entstanden. Viele Menschen kommen als „Ökoenergie-Touristen“ nach Güssing, um sich Anregungen zu holen. Güssing zeigt, dass die Energiewende machbar ist und positive Effekte für die gesamte Regionalentwicklung zeigt. Wir müssen nur endlich damit beginnen.
Mit Auszügen aus "Modellregion Güssing – Energieautarkie auf Basis regionaler Ressourcen und nachhaltiger Regionalentwicklung", Reinhard Koch
Christiane Brunner
geb. 1976 in Güssing; 1995–1996 Studium der Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz; 1996–2002 Studium der Umweltsystemwissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz (Mag.rer.nat. 2002); seit 2007 Studium der Rechtswissenschaften an der Johannes Kepler Universität Linz.
Projektkoordinatorin im Bereich erneuerbare Energie in Güssing seit 2003; 2002–2005 Mitglied des Gemeinderates der Marktgemeinde Mogersdorf, seit 2008 Mitglied des Gemeinderates der Stadtgemeinde Jennersdorf, seit 2005 Bezirksparteisprecherin der Grünen im Bezirk Jennersdorf.
Abg. zum Nationalrat seit 2008.
Europäisches Zentrum für erneuerbare
Energie Güssing, www.eee-info.net