Multilokal 50+ Wohnen im Wandel
Nicola Hilti, Zürich
VortragDer gesellschaftliche und demografische Wandel der spätmodernen Gegenwartsgesellschaft stellt Architektur und Wohnbau vor neue Herausforderungen. Die sozialen Transformationsprozesse sind weit dynamischer als die Veränderungen des Wohnungsbestandes, was u. a. bei zwei bislang wenig beforschten Rahmenthemen mit beträchtlicher Schnittmenge deutlich wird, welche die Zukunft der Planung maßgeblich mitbestimmen werden: das multilokale Wohnen sowie das Wohnen in der zweiten Lebenshälfte.
Ein Schlüsseltopos der Moderne ist Mobilität; zentrales Merkmal der Gegenwartsgesellschaft sind erhöhte Mobilitätsanforderungen und -bedürfnisse. Eine spezifische Form des Mobilseins, die sich auch als Spannungsfeld zwischen Mobilität und Sesshaftigkeit darstellt, ist das multilokale Wohnen, also die Organisation des Lebensalltags über zwei oder mehr Wohnstandorte hinweg. Aufgrund seiner wachsenden quantitativen und qualitativen Bedeutung erweist sich das Wohnen an mehreren Orten als hoch praxisrelevante Erscheinung, welche spezifische Bedürfnisse an Wohnungen und Wohnumwelten generiert. Darüber hinaus ergeben sich neue gestalterische Anforderungen für die Planung von Transiträumen und Infrastrukturen. Für AkteurInnen aus unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen wie Politik, Wirtschaft, Verkehr, Soziales und nicht zuletzt auch der Architektur und Raumplanung ist es von großer Bedeutung, zu wissen, wie, wo und weshalb ihre „Kundschaft“ sich bewegt, wohnt, arbeitet – kurz: lebt. Doch welche Ausprägungen multilokalen Wohnens lassen sich empirisch aufspüren? Und welche Strategien entwickeln Menschen im Umgang mit den Erfordernissen einer multilokalen Wohnform?
Zu den zunehmend Mobilen und multilokal Wohnenden zählt u. a. die Generation 50+. Sie gewinnt als Nachfragergruppe auf dem Wohnungsmarkt an Bedeutung und stellt spezifische Anforderungen an Wohnraum und -umfeld, welche es näher zu beleuchten gilt. Die zukünftigen Älteren zeichnen sich durch ein höheres Bildungsniveau, bessere Gesundheit, mehr finanzielle Ressourcen und größere Flexibilität und (Umzugs-)Mobilität aus. Es ist zu erwarten, dass Neuorientierungen in der zweiten Lebenshälfte zunehmend Teil der Biografien werden. Damit wird auch die weitere Ausdifferenzierung von Anforderungen an Wohnraum sowie die Vervielfältigung der Wohnformen mutmaßlich anhalten. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach den gesellschaftlichen Bedingungen, die Lebens- und Wohnweisen der Generation 50+ prägen ebenso, wie nach den Bedürfnissen, die diese sehr heterogene Gruppe in Bezug auf ihr Wohnen äußert.
Die Diskussion von Aspekten des multilokalen Wohnens, des Wohnens in der zweiten Lebenshälfte sowie deren Schnittmengen kann als Grundlage und Angebot zum Weiterdenken an planende Disziplinen verstanden werden: Was bedeuten diese neuen Trends für den Wohnungsmarkt, der den gesellschaftlichen und demografischen Wandel mit vollziehen soll?
Nicola Hilti
ist wissenschaftliche Assistentin am ETH Wohnforum – ETH CASE Centre for Research on Architecture, Society and the Built Environment am Departement Architektur der ETH Zürich. Ihre Dissertation schreibt sie zum Thema Multilokales Wohnen im Spannungsfeld zwischen Mobilität und Sesshaftigkeit. 2005 hat sie ihr Studium der Soziologie (Schwerpunkte: Siedlungs- und Wohnsoziologie) und der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Wien und der TU Wien abgeschlossen. Ihre derzeitigen Arbeitsschwerpunkte sind Multilokalität und Mobilität sowie Wohn- und Agglomerationsforschung.
Publikationen (Auswahl): Here, There and In-between: On the Interplay of Multilocal Living, Space and Inequality. In: Bergman, Max/Ohnmacht, Timo/Maksim, Hanja (eds): Mobilities and Inequality. Aldershot: Ashgate, 2009, S. 145-164; Multilokales Wohnen. Bewegungen und Verortungen. In: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.): Multilokales Wohnen. Informationen zur Raumentwicklung, Heft 1/2. 2009, S. 77-86; Multilokales Wohnen von Berufs wegen: Zwischen Zwängen und Freiheiten. In: Hanisch, Christoph (Hg.): Regionale Arbeitsmärkte im Wandel. Dokumentation der Tagung im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Regionalökonomie und Regionalentwicklung“ (7. November 2008, HSL Luzern), S. 17-30.
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