Schulbauexkursion 1. Teil
Schulen der 50er und 60er Jahre
Typisch für Schulgebäude der Nachkriegsmoderne ist die Orientierung zum Freiraum, nach außen und zum Licht. Die Schulbauten sind als weitläufige, oft eingeschoßige und flächenintensive Anlagen konzipiert. Der Schulbau dieser Epoche orientiert sich an der internationalen Schulbaudiskussion, die von PädagogInnen, ÄrztInnen und ArchitektInnen geführt wird. Viele der architektonischen Konzepte wurden bereits in der klassischen Moderne erfunden, so zum Beispiel die Pavillonschule (Neues Frankfurt/Ernst May). Die Erfindung der Freiluftklassen geht auf die Heliotherapie der Jahrhundertwende zurück, die Sanatorien und Freiluftschulen dieser Zeit wurden von Ärzten entwickelt. Die Öffnung zum Freiraum und die Großzügigkeit, die auch in den drei besuchten Schulen klar erkennbar sind, werden in den späten 60er Jahren allmählich verschwinden. Die Schulbauten werden dann kompakter und normierter, die Hallenschule ist der Vorbote dieser Entwicklung. Die Halle ist gleichzeitig auch Raum gewordener Ausdruck für eine große Schulgemeinschaft und berührt das Thema der Demokratisierung und Chancengleichheit. In den späten 60er Jahren experimentiert man mit Flexibilität und Fertigteilbauweisen.
Sonderschule Franklinstraße (1959-1961, Sanierung 1985) 14.30 Uhr
Architektur: Wilhelm Schütte
Auftraggeber: Stadt Wien
Adresse: Franklinstraße 27-33, 1210 Wien
Erreichbarkeit: U6 Floridsdorf
In der Sonderschule Franklinstraße realisierte Wilhelm Schütte ein Schulkonzept mit Freiluftklassen in Geschoßbauweise. Wesentliche Elemente des architektonischen Konzeptes sind beidseitige Belichtung (indirekt über den Gang und direkt über die Außenwand, gefiltert durch eine Auskragung), Klassenzimmer als „Freiklasse“ durch eine Faltwand, die sich öffnen lässt, quadratische Klassenzimmer und freie Möblierung sowie Zonierung der Schule in laute und ruhige Bereiche mit drei Trakten. Diese Elemente sind auch international typisch für Schulbauten der Nachkriegsmoderne. Die Faltwände der Freiluftklassen sind leider nicht mehr erhalten.
Volksschule In der Krim (1961-1963) 15.45 Uhr
Architektur: Gustav Peichl
Auftraggeber: Stadt Wien
Adresse: Flotowgasse 25, 1190 Wien
Typologisch gesehen handelt es sich um eine Hallenschule, die Halle ist jedoch eigentlich ein Atrium. Der Schulbau am Hang mit einem markanten, für Peichl typischen Eingang ist kompakt konzipiert und klar gegliedert. Die Klassenzimmer sind zweiseitig belichtet und verfügen über vorgelagerte Freiluftklassen.
Hans-Radl-Schule (1959) 16.45 Uhr
Volksschule und Sonderschule für körperbehinderte Kinder
Architektur: Viktor Adler
Farbgestaltung Fassaden: Prof. Wulz
Wandbilder: Fritz Riedl
Weitere Künstler: Prof. Molt, Petrucci
Sanierung: MA 19 mit Bundesdenkmalamt
Auftraggeber: Stadt Wien
Adresse: Währinger Straße 173-181, 1180 Wien
Es führen Bruno Maldoner (Bundesdenkmalamt)und die für die Generalsanierung verantwortlichen ArchitektInnen Eva Weil und Christine Ohrenberger.
Das Schulgebäude besteht aus zwei mehrgeschoßigen Trakten im Park des ehemaligen Czartoryskischlössls am Ende der Währinger Straße. Insbesondere die Sonderschulen werden in den 50er Jahren in Pavillonanordnung weitläufig angelegt und verfügen über großzügige Raumressourcen. Bei Grundstücken und materiellen Mitteln für Schulbauten wurde in diesen Jahren nicht gespart. Die Schule behielt trotz thermischer Sanierung den verspielten Charme der 50er Jahre.
Maja Lorbek
Architektin, Wien; Forschungsprojekte mit Schwerpunkt Schulbau und innovative Sanierung.