Bauvisite 8: Bibliothek der Sigmund Freud Gesellschaft
Architektur: Wolfgang Tschapeller
Bauvisite
12
May
2 Kapseln / Berggasse 19 / Wien 9
"maytagging somebody" ist ein Ausdruck aus der amerikanischen Hip Hop-Sprache, der das Werben um die Gunst (meist einer Frau) bezeichnet. Abgeletet wird das Verb "to maytag somebody" von einem Firmennamen. "MAYTAG" ist eine Kühlschrankfirma, die allerdings eine sehr gute und solide Verpackung für ihre Kühlschränke herstellt. Die Verpackung ist aus Karton, den amerikanischen Essgewohnheiten entsprechend etwas größer als ein Mensch, und einmal entdeckt, von Obdachlosen zunehmend als Notunterkunft, als "shelter" genommen, leicht tragbar, zur Not faltbar und auf Zeit solide. Natürlich ist es eine extrem architektonische Aktion, eine Unterkunft nicht zu bauen, sondern in Besitz zu nehmen, und im Falle der "Maytech Box" einen Abfall der Verpackungsindustrie umzuwidmen, oder umzunutzen als eine gebäudeartige Notunterkunft.
_ das erste Drittel
weibliche und männliche Hüllen im Lichthof
Die Beziehung der "Maytag Box" zu den zwei Kapseln der Berggasse entsteht über das Größenverhältnis von Körper und Hüllen für den Körper (shelter). Die Hüllen sind nur minimal größer als die zu hausenden Körper, sie sind wie Abdrücke des Körpers und in diesem Sinne auch potenzielle Vertreter des Körpers. Es sind zwei Hohlformen, jeweils für eine Person und nach dem Willen der Bauordnung geschlechtsspezifisch. Das Gesetz sozusagen macht eine Form zur weiblichen und eine Form zur männlichen. Das sind zwei Kapseln. Sie liegen außerhalb des Gebäu-des, in einem Lichtschacht im Mezzanin eines sechsgeschossigen Gebäudes. Sie sind ein Drittel der Toiletten für die Berggasse 19.
_ das zweite Drittel
der Raum in der Wand
Die zweite Zone liegt in der ausgehöhlten 64 cm breiten Außenwand des Gebäudes. Der Raum ist knapp. Das Medium muss wechseln.
_ das dritte Drittel
innerhalb der Mauer im Schrank
Innerhalb der Mauer liegt der Schrank. Als Möbelstück, aus einer zweischaligen Holzkonstruktion gebaut, ist er Vorraum zur weiblichen und männlichen Form. Man muss also durch einen Kasten gehen, um zum Klo zu kommen. Er ist wie die männliche und weibliche Form eine Art von Abguss, jedoch nicht eines möglichen Bewohners, sondern "Abguss des funktionellen Körpers des Bewohners": Aus der zweischaligen Holzkonstruktion werden Microhöhlen für verbrauchte Papierhandtücher gefaltet, Nischen für die Waschbecken, Ausbuchtungen für Installationen und Taschen für Schiebe- und Drehtüren. Das ist eine para-architektonische Konstruktion.
Programm:
Sigmund Freuds Wohnung in der Berggasse wurde von der Sigmund Freud-Gesellschaft angekauft und als Bibliothek, wie auch Veranstaltungsort adaptiert. Dazu war es notwendig, sanitäre Einrichtungen in Zahl und Qualität dem Stand des Gesetzes entsprechend zu schaffen. Das war das funktionale Erfordernis und natürlich ist es eine Qualität von Architektur, diese funktionalen Erfordernisse zu erfüllen. Aber nicht nur und schon gar nicht ausschließlich. In dieser speziellen Situation sehe ich Architektur auch als Kommentar, vielleicht ohne Lautstärke, vielleicht wie eine handschriftliche Anmerkung am Buchrand oder wie eine angesetzte Fußnote im Text.
(Wolfgang Tschapeller)
"maytagging somebody" ist ein Ausdruck aus der amerikanischen Hip Hop-Sprache, der das Werben um die Gunst (meist einer Frau) bezeichnet. Abgeletet wird das Verb "to maytag somebody" von einem Firmennamen. "MAYTAG" ist eine Kühlschrankfirma, die allerdings eine sehr gute und solide Verpackung für ihre Kühlschränke herstellt. Die Verpackung ist aus Karton, den amerikanischen Essgewohnheiten entsprechend etwas größer als ein Mensch, und einmal entdeckt, von Obdachlosen zunehmend als Notunterkunft, als "shelter" genommen, leicht tragbar, zur Not faltbar und auf Zeit solide. Natürlich ist es eine extrem architektonische Aktion, eine Unterkunft nicht zu bauen, sondern in Besitz zu nehmen, und im Falle der "Maytech Box" einen Abfall der Verpackungsindustrie umzuwidmen, oder umzunutzen als eine gebäudeartige Notunterkunft.
_ das erste Drittel
weibliche und männliche Hüllen im Lichthof
Die Beziehung der "Maytag Box" zu den zwei Kapseln der Berggasse entsteht über das Größenverhältnis von Körper und Hüllen für den Körper (shelter). Die Hüllen sind nur minimal größer als die zu hausenden Körper, sie sind wie Abdrücke des Körpers und in diesem Sinne auch potenzielle Vertreter des Körpers. Es sind zwei Hohlformen, jeweils für eine Person und nach dem Willen der Bauordnung geschlechtsspezifisch. Das Gesetz sozusagen macht eine Form zur weiblichen und eine Form zur männlichen. Das sind zwei Kapseln. Sie liegen außerhalb des Gebäu-des, in einem Lichtschacht im Mezzanin eines sechsgeschossigen Gebäudes. Sie sind ein Drittel der Toiletten für die Berggasse 19.
_ das zweite Drittel
der Raum in der Wand
Die zweite Zone liegt in der ausgehöhlten 64 cm breiten Außenwand des Gebäudes. Der Raum ist knapp. Das Medium muss wechseln.
_ das dritte Drittel
innerhalb der Mauer im Schrank
Innerhalb der Mauer liegt der Schrank. Als Möbelstück, aus einer zweischaligen Holzkonstruktion gebaut, ist er Vorraum zur weiblichen und männlichen Form. Man muss also durch einen Kasten gehen, um zum Klo zu kommen. Er ist wie die männliche und weibliche Form eine Art von Abguss, jedoch nicht eines möglichen Bewohners, sondern "Abguss des funktionellen Körpers des Bewohners": Aus der zweischaligen Holzkonstruktion werden Microhöhlen für verbrauchte Papierhandtücher gefaltet, Nischen für die Waschbecken, Ausbuchtungen für Installationen und Taschen für Schiebe- und Drehtüren. Das ist eine para-architektonische Konstruktion.
Programm:
Sigmund Freuds Wohnung in der Berggasse wurde von der Sigmund Freud-Gesellschaft angekauft und als Bibliothek, wie auch Veranstaltungsort adaptiert. Dazu war es notwendig, sanitäre Einrichtungen in Zahl und Qualität dem Stand des Gesetzes entsprechend zu schaffen. Das war das funktionale Erfordernis und natürlich ist es eine Qualität von Architektur, diese funktionalen Erfordernisse zu erfüllen. Aber nicht nur und schon gar nicht ausschließlich. In dieser speziellen Situation sehe ich Architektur auch als Kommentar, vielleicht ohne Lautstärke, vielleicht wie eine handschriftliche Anmerkung am Buchrand oder wie eine angesetzte Fußnote im Text.
(Wolfgang Tschapeller)