Haus am Hang, Hintersdorf
Architekten Alexander Runser und Christa Prantl; 1994; WE3413 Hintersdorf, Hauptstraße 143Open House: 13.00 - 17.00 hTour: 13.00 h
ArchitekturtageEs führen die Architekten! / Sprevádzajú architekti!
Zur Entstehung
Eine Familie kauft ein Grundstück am Land, für ein bereits ausgesuchtes Fertighaus zwar etwas schmal, aber mit einem faszinierenden Blick ins Donautal und möchte gleich ein Baumarkt-Gartenhäuschen aufstellen. Ein Zufall führt zu einem Gespräch mit Architekten, sehr schnell zeigt sich eine Offenheit für Nichtalltägliches, nicht Baumarkt- und Fertighausklischeeverhaftetes und führt zu einer intensiven und für beide Seiten höchst erfreulichen Zusammenarbeit. Das Gartenhaus ist bald fertiggestellt, zwei Jahre später soll das Wohnhaus folgen.
Nach einer sehr intensiven Planungszeit und Auseinandersetzung mit Form und Materialien ist das für diese Familie geplante Haus im Modell gebaut - klar, einfach, lichtdurchflutet, hell und verbunden mit dem Garten.
Die große Ernüchterung kommt mit der Einreichung bei der Gemeinde - das Ortsbild kann doch nicht so verschandelt werden, das Haus sei zu groß, zu auffällig, und gefallen tut es, sagt der Bürgermeister, ihm überhaupt nicht.
Eine lange Liste von angeblichen Verstößen gegen die Bauordung ist schnell bereinigt und von uns als Vorwand des Bürgermeisters entlarft, ein Haus das nicht dem "allgemeinen" Geschmack entspricht, zu verhindern. Es bleibt aber der Vorwurf der Störung des Ortsbildes einer Siedlung mit Fertighäusern vom Typ KleinSchönbrunn bis Alpenhütte.
Ein erstes sehr positives Gutachten der Ortbildkommission des Landes Niederösterreich - gutes Beispiel für Bauen am Hang - bringt Hoffnung aber immer noch kein Einsehen des Bürgermeisters. Das Dach, obwohl fast angepaßtes Satteldach, ist nicht steil genug - weitere Gespräche, bis schließlich eine zeitaufwendige Untersuchung aller Nachbarhäuser der Siedlung das Ergebnis bringt, daß beinahe zwei Drittel aller Häuser eine geringere Dachneigung als die vom Bebauungsplan geforderten 30 Grad aufweisen. Dieses Ergebnis, unterstützt von einem weiteren Gutachten der Niederösterreichischen Landesregierung bringt nun mit einer Verspätung von fast einem Jahr die lang erwartete Baubewilligung.
Der relativ kurzen Bauzeit von 11 Monaten ging ein mehrjähriger intensiver Planungsprozeß voraus. Am Anfang stand eine Analyse des Bauplatzes und verschiedener Hausformen. Die schmale, rechteckige Gebäudeform erwies sich als am besten geeigenet und wurde von den Bauherrn trotz anfänglicher Wünsche nach einem L-förmigen Haus sofort akzeptiert. Das Raumprogramm ist bei einem Einfamilienhaus rasch formuliert, als weit schwieriger erwies sich für uns die Entwicklung des Grundrisses der jetzt einfach logisch wirkt. Anhand eines Arbeitsmodells 1:33,3 wurde das Haus entwickelt und den Bauherrn präsentiert. Neue Raumformen und Materialvorstellungen, besonders, da sie nicht bloß von formaler Qualität sind, wurden von den Bauherrn offen und vorurteilslos aufgenommen und freudig begrüßt. Andererseits hatten sie auch feste Vorstellungen über Ihre Wünsche und Bedürfnisse.
Haus am Hang - eine Führung durch das Haus
Am Anfang stand ein 100 m langes und 20 m breites Grundstück mit schöner Aussicht ins Donautal. Bei guten Sichtverhältnissen kann man bis Hollabrunn und weiter sehen. Die schöne Ausicht hatte nur einen Nachteil - sie ist an der Nordseite des Grundstückes. Ein Analyse von Bebauungsvarianten ergab, daß ein schmales langgestrecktes Haus optimal für dieses Grundstück geeignet ist.
Das Raumprogramm der Familie mit 4 Kindern forderte einen allgemeinen Wohnraum mit offener Küche, einen zweiten separierten Wohnraum im Ober-geschoß, ein Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer und vier Kinderzimmer und einen in der Freizeit benutzbaren Keller mit Schutzraum. Aus der Anforderung der Benutzer entwickelte sich durch oftmaliges Überarbeiten der fast archetypische Grundriß mit zentraler Halle und beidseitig angeordneten Privaträumen mit dazwischen geschalteten Sanitärzonen.
Ein weiterers Bestreben war es die Wiesenstruktur des Grundstückes weitgehendst beizubehalten und so entstand die Idee vom hölzernen Umgang auf dem man das Haus umschreiten kann. Die Wiese kann so bis an das Haus heranwachsen. Der Umgang erweitert auch die Wohnbereiche nach außen und bildet eine räumliche Zone zwischen dem eigentlichen Innen und Außen.
Der dem Entwurf zugrundeliegende Raster von 1x1 Meter war zu Beginn als ein rein theoretischer gedacht, der sich nur in der Fensterteilung gezeigt hätte. Erst am Beginn der Zusammenarbeit mit dem Bauausführenden stellte sich heraus, daß die vorhandenen Schalsysteme der Firma für Betonwände 100 cm und 50 cm breit sind. So wurde beschlossen dies zu nützen und den Raster auch im schalreinen Stahlbetonbau zu zeigen.
Die tragenden Außenwände stehen außerhalb des Rasters und umhüllen das Gebäude, die tragenden Innenwände und die die Dachkostruktion tragenden Holzsäulen und die Konstruktion des Umganges folgen dem Raster.
Das Haus entwickelt sich vom dunklen Keller mit schalreinen Stahlbetonwänden und schwarzem Gußasphaltboden über ein konventionell belichtetetes Erdgeschoß zu einem lichtdurchfluteten Obergeschoß mit wunderbarer Fernsicht. Um nicht das Gefühl zu haben der Umgebung schutzlos ausgesetzt zu sein, wurde die Pharapethöhe mit 1,3 Meter festgelegt - die Wirkung ist wie die in einem Nest - und jedes Zimmer hat für die normale Aussicht eine bis zum Boden reichende Glastüre.
Der im Grundriss ablesbare Raster wurde im Aufriß nicht wiederholt. Das Raumgefühl bestimmte ausschließlich die Proportionen der Höhe.
Stichworte zum Konzept
Reduktion von Material, Inhalt und Form --- Die Teile und das Ganze --- archetypische Formsuche -- 20,75 x 6,75 Meter großer einfacher kubischer Baukörper --- Entwicklung bis zur archetypischen Grundrißform für Wohnhäuser --- Struktur und Form --- Form und Gestalt --- Verschwinden der Form --- Raster von 1 x 1 Meter --- Geometrie und Form --- Die Mauer als Umhüllung --- Der Raster und seine Grenzen --- Mehrschichtiger Übergang Innen/Außen --- Versorgende und versorgte Räume --- Stahlbetonkerne als raumbildendes Element --- Stahlbetonkerne als konstruktive Aussteifung --- Stahlbetonkerne und Stahlbetondecke als Wärmespeicher --- Raumklima und Speichermasse --- Stahlbetonkerne als Sanitärräume --- 6 Materialien: Beton, Holz, Glas, Stahl, schwarzer Granit, Asphalt --- zerlegbar --- wiederverwertbar --- Dachvorstand als Sonnenprotektor --- Wintersonne im Haus --- Sommersonne abgeschattet --- Transparenz und Geborgensein --- Schonung von Resourcen --- biologische Materialien --- Meidung geopathischer Störzonen
Materialien
Keller --- Aussenwände 25 cm Stahlbeton schalrein als Dichtbeton --- Innenwände 12 cm Stahlbeton schalrein --- Decke 16 cm Stahlbeton schalrein --- Boden Gussasphalt auf Korkplatten
Erdgeschoß --- Aussenwände 30 cm Lecatonsteine --- 4 cm Wärmedämmputz --- hellgrau durchgefärbter Feinputz --- Fenster Holz hellgrau lackiert, teilweise Fixverglasung ---Innenwände Bäder Stahlbeton schalrein nur teilweise verfliest --- Umfassungswände verputzt und hellgrau gestrichen --- Decke über Erdgeschoß 18 cm Stahlbeton schalrein --- Boden Lärchemassivholzparkett --- Bäder und Küche Granit Nero Assoluto
Stiegen --- Stahlbeton schalrein --- Trittstufen Massivholzbrett Lärche --- Geländer Stahl verzinkt
Obergeschoß --- Gespärre Holzleimbinder gewachst --- Dachuntersicht Gipskarton hellgrau gestrichen
Dachdeckung --- Villas Bitumenschindel --- Rinnen Titanzink
Möbel --- Birke Sperrholz
Aussenumgang --- Lärchepfosten auf Lärchebalken
Balkone --- 18 cm Stahlbeton schalrein als Dichtbeton, Lattenrost Lärche
Autoabstellplatz und Abstellraum --- 20 cm Dichtbeton schalrein --- Glasdach ESG 12mm mit Rodanhaltern und verzinkter Stahlkonstruktion