Jubiläumsbauvisite 9: Planquadrat (1973)
Helmut Voitl, Elisabeth Guggenberger
BauvisiteProjektrealisierung: Helmut Voitl, Elisabeth
Guggenberger
Architektur: Projektgruppe Planquadrat (Hugo Potyka, Wilhelm Kainrath, Rudolf Zabrana, Timo Huber, Herbert Pirchner, Irmtraud Goessler-
Leirer, Ilse Sanzenbecker; anfangs auch Barbara Langoth, Wolfgang Piller, Martin Schwanzer,
Norbert Stangl)
Auftraggeber: keiner
Ein Block in Wien-Wieden: 24 Häuser, davon zufälligerweise zwei Drittel im Besitz der Stadt Wien, 325 Wohnungen, 34 Hinterhöfe mit insgesamt 8.770 m2, 567 Bewohner. Im Frühjahr 1973 hatten der ORF-Programmplaner Jörg Mauthe und ein Mitarbeiter von Bürgermeister Gratz, Fred Freyler, gemeinsam die Idee, ein Fernsehprojekt zum Thema Wiener Gartenhöfe zu starten. Damit beauftragt wurden die Dokumentarfilmemacher Helmut Voitl und Elisabeth Guggenberger (ORF-Redakteur: Alois Schöpf). Doch nach Beginn der Recherchen änderten die Filmemacher das Konzept: Kein Film über brachliegende, romantische Biedermeier-Gärten sollte es werden, sondern ein partizipatives Projekt unter Einbeziehung des Mediums Film zur Sanierung eines heruntergekommenen Häuserblocks inklusive gemeinschaftlichem Gartenhof. Ziel war es, ein exemplarisches Projekt gegen top-down-Planung zu realisieren, das heißt, die Bewohner des Blocks sollten durch Information befähigt werden, sich an der Stadtplanung zu beteiligen und diese nach ihren Wünschen zu verändern. Neben Partizipation war Stadterneuerung ein weiteres zentrales Thema: während 1961 noch 32 Prozent der neuen Wohnungen in Wien Sanierungen waren, betrug der Anteil 1971 nur noch 1 Prozent. Das Team organisierte eine Reihe von (wie man heute sagen würde) „aktivierenden Aktionen“, die von einem Planungsbrettspiel zur Erlangung von Gestaltungsvorschlägen bis zu Fernsehdokumentationen über das Planquadrat reichten. Zwischen 1974 und 1977 entstand eine ganze Reihe von Filmen für den ORF, darunter solche Perlen der Fernsehgeschichte wie eine ungekürzt gesendete Diskussion unter 300 Betroffenen über das Projekt in Anwesenheit des Bürgermeisters Leopold Gratz, moderiert von Helmut Zilk. Gegen teilweise erbitterten Widerstand der Stadtverwaltung – der Flächenwidmungsplan sah umfangreiche Abrisse vor – konnten die Planquadrat-Aktivisten die Umsetzung des mit den Bewohnern erarbeiteten Konzeptes durchsetzen, unterstützt durch ein Planungsteam um Architekt Hugo Potyka. 1976 entstand der von den Bewohnern getragene „Gartenhofverein Planquadrat“, der bis heute die öffentlich zugängliche Grünanlage mit finanzieller Unterstützung durch die Stadt verwaltet. Eine Reihe geplanter Nachfolgeprojekte wurde niemals realisiert.