UM_BAU 29 | 2016 Umbau
Theorien zum Bauen im Bestand.
deutsch, Birkhäuser, 144 S., €19,95Nach dem inhaltlichen und gestalterischen Relaunch unserer 1979 gegründeten Zeitschrift, erscheint mit UMBAU 29 Anfang Juli die 2. Ausgabe im erneuerten, von lenz+ entwickelten Erscheinungsbild. Unser ausfaltbares, großformatiges Coverfoto, das wieder in Zusammenarbeit mit der IG-Architekturfotografie ausgewählt wurde, zeigt diesmal die Einrichtung der Bar im ehemaligen Pförtnerhaus Swiss Re Zentrum in Rüschlikon, geplant von Hermann Czech, fotografiert von Margherita Spiluttini – einen Umbau.
Umbau ist auch das Thema der Ausgabe von UMBAU 29. Scheinbar naheliegend – und dennoch wird hier zum ersten Mal die Frage der architektonischen Auseinandersetzung mit dem Vorhandenen in den Fokus gestellt. „UM BAU“ (die Ausgaben 1-17), „UmBau“ (18-27) und schließlich „UM_BAU“ (seit 28) waren die Formen, mit denen wir auf dem Cover unserer Publikationsreihe unter anderem auch auf eine, nein die architektonische Aufgabe angespielt haben, die 1979 auch als Kritik und Bekenntnis verstanden wurde und seither konstant an Bedeutung gewonnen hat: das Arbeiten mit Beständen und Kontexten, anstatt (der Illusion) einer Planung auf der „grünen Wiese“ – der Tabula Rasa.
Der Untertitel dieses Hefts, „Theorien zum Baumen im Bestand“, ist dabei durchaus in einem Spannungsverhältnis zu lesen, wie aus den einleitenden Grundsatztexten hervorgeht, die Hermann Czech und Vittorio Gregotti (hier erstmals auf Deutsch) für diese Ausgabe zur Verfügung gestellt haben. Beide Texte wurden zuerst in den 1980er Jahren publiziert, gehen aber in ihrem gedanklichen Ansatz auf die 1960er Jahre und die damals einsetzende Kritik an den atopischen Grundannahmen einer auf wirtschaftliche und technische Parameter reduzierten Moderne zurück. Sie sind heute insofern von besonderem Interesse, weil die Erkenntnis, dass voraussetzungsloses Planen eine Fiktion ist, die Architektur ihrer gesellschaftlichen Relevanz beraubt, selbst zu einem architektonischen Topos geworden ist, der gedankenlos als „Bauen im Bestand“ weitergereicht wird. Von unterschiedlichen, auch durch jeweils lokale, Wiener bzw. italienische Diskurse und Denktraditionen gespeisten Zugängen aus zeigen Gregotti wie Czech, dass die „Modifikation“ bzw. der Umbau keine neutrale Distanz zum Vorhandenen zulässt, also nicht etwa „im Bestand“ (wie zuvor „auf der grünen Wiese“) das „Neue“ herausstellt, sondern mit einer „dialektischen Auseinandersetzung mit dem spezifischen Kontext“ einhergeht (Gregotti), bzw. mit dem Vorgefundenen „eine neue Einheit ein[geht], die ein vollgültiges Werk darstellt“ (Czech). Ergänzend werden diese Ansätze im ersten Abschnitt von UMBAU 29 ihrerseits in Texten von Paolo Vitali und Andreas Vass im Kontext der Entwicklungslinien verortet aus denen sie hervorgegangen sind.
Der zweite Abschnitt von UMBAU 29 fokussiert auf Umbau im städtischen Maßstab. Manfred Russo nimmt eine system- und medientheoretische Untersuchung der zur Stadt der Zukunft stilisierten „Smart City“ vor, die tiefgreifende Umschichtungen städtischer Realität auslösen könnte, deren Anzeichen bereits heute zu beobachten sind. Komplementär stellt Ulrich Huhs in einer vergleichenden Analyse stadttypologischer Modelle der Transformation der gründerzeitlichen Stadt, die in den 1960er bis 1980er Jahren in Wien und Berlin erprobt wurden, die Frage nach der Relevanz dieser Versuche für die Gegenwart. Zwei Texte, die aus komplementären Blickwinkeln das für die Veränderungsprozesse der Wiener Gründerzeitviertel entscheidende Problem der Erdgeschoßzonen thematisieren, schließen den Abschnitt ab: Angelika Psenner untersucht räumliche Aspekte und Potenziale der Permeabilität von Straßenraum und Baublock. Betül Bretschneider geht dagegen der Frage nach den Ursachen und Mechanismen der laufenden Transformationsprozesse der Erdgeschosse in Wiener Gründerzeitvierteln auf den Grund.
In einem dritten Abschnitt wird gezeigt, wie in ganz unterschiedlichen Facetten und Maßstäben der Umbaufrage Aspekte der Ökologie eingeschrieben sind. Naheliegend ist die bauliche Erneuerung von Wohnquartieren aus der Nachkriegszeit, ein europäisches Thema von eminenter Relevanz in der Ressourcenfrage. Jörg Lamster beleuchtet die komplexen Entscheidungskriterien zwischen Umbau und Neubau anhand einiger Schweizer Beispiele. Dass auch der Fall einer so tiefgreifenden stadträumlichen Umwälzung, wie der Bau der Wiener Ringstraßenanlage, auf einer differenzierten Reinterpretation topografischer wie baulicher Bestände fußt, die diesen Prozess als herausragendes Beispiel einer ökologisch deutbaren Stadtlandschaft ausweist, erläutert Andreas Vass im abschließenden Essay zum „Ring als Landschaft im Umbau“.
UM_BAU 29
Umbau. Theorien zum Bauen im Bestand
Österreichische Gesellschaft für Architektur
Birkhäuser Verlag, Wien 2016
144 Seiten, Birkhäuser Verlag , mit zahlreichen Abbildungen, broschiert
ISBN 978-3-0356-1102-1
Preis: € 19,95
Sprache deutsch