ÖGFA_Themenvisite: Freiluftschule Floridsdorf, Wien
SpecialsWilhelm Schütte arbeitete 1925–30 im Team von Ernst May in der Schulbauabteilung für das „Neue Frankfurt“. Im Auftrag der Stadt Wien realisierte der international anerkannte Schulbauexperte die Freiluftschule Floridsdorf nach Konzepten, die er seit den 1920er Jahren zusammen mit Pädagogen erarbeitet und in vielen programmatischen Texten diskutiert hatte.
Der Entwurf ist eine konsequente Fortsetzung des Freiluftklassen-Prinzips für Pavillonschulen in Frankfurt am Main – eine typologische Innovation im Schulbau. Die Schulklasse wird durch Öffnung der Faltwände selbst zur Freiluftklasse, der quadratische Grundriss ermöglicht eine flexible Möblierung. Das Konzept der zweiseitigen Belichtung des Klassenraumes findet hier in zweigeschossigen Trakten ihre ökonomische Anwendung. Leider sind die über die ganze Seite zur Loggia öffenbaren Glaswände nicht mehr erhalten, auch die zweiseitige Belichtung der Klassen wurde aufgegeben: „Heute ist der Bau nach einer Teilsanierung (1989–95) eher eine Erinnerung an die sozialen und pädagogischen Träume des Funktionalismus.“ (F. Achleitner, 2010).
Im Rahmen des Schulsanierungspakets 2008–2017 erarbeiteten Maja Lorbek und Veit Aschenbrenner Architekten Konzepte zum Umgang mit der Schule, von der baulichen Erweiterung, brandschutztechnischen und bauphysikalischen Verbesserung, einer stufenweisen denkmalgerechten Sanierung bis zum Rückbau der Fassaden zur Wiederherstellung des ursprünglichen architektonischen Konzeptes. Bis zum Ende des Schulsanierungspaketes wurden nur wenige Teile davon umgesetzt, seither war das Büro Wehdorn mit der Erarbeitung weiterer Sanierungskonzepte beauftragt.
Bei der Besichtigung der erhaltenen Bauteile und der umgesetzten Maßnahmen wird das historische Konzept erläutert sowie die Sanierungsproblematik bei Schulbauten der Nachkriegsmoderne und die Zukunft ehemaliger Sonderschulen nach Einführung der Inklusion thematisiert.
Ort: Franklinstraße 27–33, 1210 Wien
Erreichbarkeit: U6 Floridsdorf, dann 7 Min. zu Fuß
Architektur: Wilhelm Schütte
Neubau: 1959–1961
Auftraggeber: Stadt Wien
Art der Beauftragung: Substanzsanierung, denkmalgerechter Rückbau und Zubau-Studie (nur tlw. realisiert)
Architektur: Maja Lorbek mit Veit Aschenbrenner Architekten ZT GmbH, 2008–2017
Statik: Büro Ferro und Partner
Bauphysik: Roland Philipp
Auftraggeber: Stadt Wien, MA 19
Es führen: Maja Lorbek, Oliver Aschenbrenner
Expertise: Wolfgang Salcher, BDA
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Wilhelm Schütte Architekt (1900–1968)
Anlässlich des 50-jährigen Todestages von Wilhelm Schütte im Jahr 2018 erscheint im Rahmen eines kleinen Schütte-Schwerpunkts im Herbst eine von der ÖGFA herausgegebene Publikation – der Präsentationstermin wird noch gesondert bekannt gegeben.
Wilhelm Schüttes bewegter Lebenslauf führte von München und Frankfurt über die Sowjetunion als Mitarbeiter der Gruppe von Ernst May schließlich 1938 ins Exil nach Istanbul. Anfang 1947 kehrte Schütte mit seiner Frau, der Architektin Margarete Schütte-Lihotzky in das Nachkriegs-Wien zurück und wurde österreichischer Staatsbürger. Er konnte hier nur wenige Bauten realisieren, da er auf Grund seiner politischen Haltung nur wenige öffentliche Aufträge erhielt. Er engagierte sich in den wichtigsten Vereinigungen wie etwa dem CIAM-Austria und wurde zu einer wesentlichen Schnittstelle zu internationalen Organisationen.
Wilhelm Schütte war aktives Mitglied der ÖGFA und stiftete mit seinem Testament ein Stipendium, das nach 1968 von der ÖGFA an junge ArchitektInnen vergeben wurde. Im November 1968 organisierte die ÖGFA eine Schütte-Gedächtnisausstellung in ihren damaligen Vereinsräumen in der Blutgasse. Ein Teilnachlass seines architektonischen Wirkens und seiner umfangreichen Bibliothek stehen der Forschung als „Archiv Schütte“ in der ÖGFA zur Verfügung. Neben der Buchveröffentlichung, die ihren Fokus auf das ein wenig in Vergessenheit geratene OEuvre Schüttes richtet, werden wir auch zwei seiner wichtigsten, noch erhaltenen Bauten in Wien besuchen.
Text: Ute Waditschatka