Kulissen des mondänen Lebens
Otto Firles Berliner Landhäuser zwischen Mode und Moderne
VortragOtto Firle – Drei Landhäuser
Der in Berlin tätige Architekt Otto Firle (1889-1966) gehörte mit Alfred Breslauer, Fritz August Breuhaus de Groot oder Oskar Kaufmann in den zwanziger Jahren zu den erfolgreichsten Villenarchitekten der Hauptstadt. Neben seiner Arbeit als Gebrauchsgraphiker (Reichsbahnsignet; „Kranich„ der Lufthansa) und dem Bau von Landhäusern trat er auch mit zahlreichen Geschäftshausbauten hervor, darunter die sogenannte „Grünfeld-Ecke„ (Kurfürstendamm/Ecke Joachimsthaler Straße), mit der er eines der Paradebeispiele für die dynamische Glas-Chrom-Licht-„Großstadtarchitektur„ der Weimarer Republik nach dem vielzitierten Vorbild Erich Mendelsohn verwirklichen konnte.
Im Gegensatz zu diesem Geschäftshaus, das etwa Karl-Heinz Hüter in seinem Standartwerk „Berliner Architektur 1900-1933„ aufnahm, sind die Villen Firles fast vollständig vergessen. Dies liegt zum einen an der von der Forschung ohnehin vernachlässigten Bauaufgabe, zum anderen aber am „Stil„ dieser Bauten, der dem Wunsch nach modischer Gediegenheit und „spießbürgerlicher„ Repräsentation in zeittypischer Form entsprach. Firle entwickelte dabei in Zusammenarbeit mit seinen Bauherren (zumeist Ärzte und Juristen) nicht allein das Raumprogramm, sondern war als Designer und Innenarchitekt zugleich für die gesamte Ausstattung zuständig: edle Hölzer mit kräftiger Maserung als Wandvertäfelung, durch Backstein oder Naturstein gerahmte offene Kamine, Himmelbetten, Bibliotheken mit eigenen Räumen für die „Inkunabelsammlung„ – dies alles steht nicht zuletzt stilistisch in deutlichem Kontrast zum zeitgleich betriebenen und bestens erforschten Massenwohnungsbau der Neuen Sachlichkeit.
Der Beitrag möchte anhand von drei ausgewählten Beispielen Firles („Landhaus auf dem Dach„, Berlin 1923; Haus Dr. H. (Herzfeld), Hannover 1926; Landhaus Wellnitz, Berlin 1929) die Entwicklungen der Baugattung Landhaus veranschaulichen, wie sie seit dem Beginn der Weimarer Republik parallel und in Auseinandersetzung mit der Moderne weiter gepflegt wurde. Es zeigt sich, dass dabei die „Moderne„ schnell als „Mode„ rezipiert und „modifiziert„ mit den konservativen Gestaltungsidealen des Landhausbaus – teilweise wie in der gründerzeitlichen Villenarchitektur noch immer dem Schlossbau verpflichtete repräsentative Räume und Raumfolgen - verknüpft wurde. Die aus dem Expressionismus abgeleiteten ornamental-dekorativen Spitzen, Zacken und Grate wurden genauso übernommen, wie große Glasflächen oder praktische Einbaumöbel - Merkmale der neusachlichen Innenraumgestaltung.
Die Analyse stützt sich auf das Planmaterial in den Berliner Archiven, auf die zeitgenössischen Publikationen (Bauwelt; Moderne Bauformen; Innendekoration), in denen die Arbeiten Firles ausführlich dokumentiert wurden und auf eigene Vorarbeiten. Dabei wird auch deutlich, dass eine zumeist mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebrachte „Lebenshaltung„, wie sie sich dezidiert in dieser Villenarchitektur äußert, bereits lange vor 1933 existierte. Firle selbst konnte als eines seiner letzten Werke vor dem Ausschluß aus der Reichskulturkammer 1935 das Landhaus auf dem Darß für Hermann Göring (zerstört; keine Unterlagen vorhanden) errichten, den der Architekt als Flieger im Geschwader Udet im Ersten Weltkrieg kennengelernt hatte.
Christian Welzbacher
Zur Person Christian Welzbacher:
Geboren 1970 in Offenbach am Main; Ausbildung zum Chemisch-technischen Assistenten, danach Abendgymnasium Wiesbaden.
Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Germanistik in Mainz, Glasgow, Amsterdam, Freie Universität Berlin.
Magisterabschluß mit einer Arbeit über den Kirchenbau der Moderne.
Mitorganisation des Symposiums "Historismen in der Moderne. Vergangenheit als Träger von Identität und Ideologie in der Architektur des 20. Jahrhunderts" (FU Berlin, 24.-26. November 2000).
Derzeit Dissertation zur Staatsarchitektur der Weimarer Republik.
Seit 1998 freier Mitarbeiter der niederländischen Zeitschrift
Archis und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
2000: Kritiker-Förderpreis der Bundesarchitektenkammer.