Stadt und Öffentlichkeit / Für eine städtische Architektur
Zu Bedeutung und Verständnis von Baukultur
PodiumsdiskussionStadt und Öffentlichkeit
Zu Bedeutung und Verständnis von Baukultur 1
Vortrag von Susanne Hauser
Seit einiger Zeit wird sowohl in Deutschland als auch Österreich viel über „Baukultur“ diskutiert, Anlass ist der Wunsch von ArchitektInnen, die Förderung hochqualitativen Bauens als Anliegen politisch zu verankern. Was in diesen Diskussionen weitgehend unbestimmt bleibt, ist die Frage, wie eine hohe Qualität zu bestimmen sei. Sie scheinen an ein schon überwunden geglaubtes Konzept von Hochkultur anzuknüpfen: Die Bestimmung von Qualität wird an die Autorität von ExpertInnen geknüpft, ansonsten aber nicht näher geklärt. Nur von wenigen werden die BewohnerInnen als naheliegende AnsprechpartnerInnen angesehen, wenn es um die Sicherung von Architekturqualität geht.
Es stellt sich dabei die Frage, wem die Förderung von Baukultur eigentlich nützt und womit eine Unterstützung durch die Politik legitimiert ist. So hat etwa Ulrich Hatzfeld in der Zeitschrift „Garten und Landschaft“ provozierend gefragt: „Gibt es nicht viele Dinge, um die sich Staat, Kommunen und Gesellschaft dringender kümmern sollten als um Schönheit, Ästhetik oder gar ‚urbanes Wohlgefühl‘“? Seine und auch meine Antwort auf diese Frage ist, nein, das ist schon das richtige Thema, denn was wir brauchen, ist eine Qualität in den Städten, die sie anziehend machen, die es möglich machen, dass sich ihre BewohnerInnen engagieren, dass sie sie als eigene Sache begreifen – und nicht als einen Zusammenhang, der im Sinne einer Standortpolitik an ihnen vorbei passiert und geregelt wird, ohne dass sie die Gelegenheit und die Lust haben, sich ihre Stadt anzueignen. Dazu gehören unbedingt ästhetische Bezüge, die sich jedoch nicht allein auf (Bau-)Kunst reduzieren lassen.
Aus diesem Blickwinkel erschließt sich Baukultur als Kommunikationszusammenhang, als Angelegenheit einer breiten Öffentlichkeit, auch als (Wieder-)
Herstellung eines städtischen Zusammenhangs. Insofern dieser immer mehr verloren zu gehen droht, ist „Baukultur“ tatsächlich ein Thema von äußerster Aktualität.
Susanne Hauser
Professorin am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der TU Graz seit 2003; zuvor Gastprofessorin für Landschaftsästhetik und
-geschichte an der Universität Kassel und Privatdozentin am Kulturwissenschaftlichen Seminar der Humboldt-Universität zu Berlin; Promotion über die Geschiche des literarischen Blicks auf die Stadt, Habilitation über die Ästhetik und Gestaltung von Industriebrachen; Mitglied des Ladenburger Kollegs „Zur Qualifizierung der Zwischenstadt“; zahlreiche Publikationen zu Theorie und Geschichte von Architektur, Stadt und Landschaft, u. a.: Der Blick auf die Stadt, Berlin 1990; Metamorphosen des Abfalls, Frankfurt/M., New York 2001; gem. mit Dieter E. Genske (Hg.), Die Brache als Chance, Berlin, Heidelberg, New York 2003; Veranstaltungen, u. a.: gem. mit Eduard Führ und Claus Dreyer, Organisation der Tagung „Baukultur“ in Cottbus, November 2003.
Für eine städtische Architektur
Zu Bedeutung und Verständnis von Baukultur 2
Diskussion mit Susanne Hauser, Hermann Czech, Harald Saiko, Roland Gnaiger
Moderation: Christa Kamleithner
„Große Baukunst ist einzeln. Was eine Stadt ausmacht, ist architektonische Lebensart – Großzügigkeit und Intelligenz. Nicht große Architektur, wohl aber großstädtische.“ (1964)
„Das Ziel muß eine Struktur [von Gebäuden] sein, die möglichst vielfältig nutzbar sind – kurz: eine Konvention, die wie in der alten Großstadt ohne ‚Einfälle‘ einen selbstverständlichen Rahmen schafft, den das einzelne Haus – auch als architektonisches Kunstwerk – variieren kann.“ (1966)
(Aus: Hermann Czech, Zur Abwechslung. Ausgewählte Schriften zur Architektur, Wien 1996)
Anfang der 70er Jahre polemisierte Hermann Czech mit seiner Feststellung „Architektur ist Hintergrund“ gegen eine Überschätzung der Architektur durch die ArchitektInnen und den publizistischen Wirbel, der um sie gemacht würde. Diese Kritik trifft sich mit seinem Plädoyer für „eine neue Großstadt“, für neue städtische Typologien – für Architekturen, die nicht aufgrund isolierter „Einfälle“ entstehen, sondern die wohlüberlegt und langfristig entwickelt werden, seriell einsetzbar und adaptierbar, jedoch keinesfalls einfallslos sind, sondern die imstande wären, eine städtische Kultur zu unterstützen.
Mit dieser Auffassung findet sich Czech damals wie heute in guter Gesellschaft mit StadthistorikerInnen, SoziologInnen und KulturwissenschaftlerInnen. Gleichmeinende ArchitektInnen sind hingegen seltener – zu groß ist der Druck der Szene, originell sein zu müssen. Es gibt jedoch auch andere Entwicklungen: So macht zur Zeit die „Vorarberger Baukultur“ Furore, und dies nicht, weil sie eine große Zahl spektakulärer Architekturen hervorgebracht hätte, sondern weil sie landesweit einen guten Standard gesetzt hat, im Sinne einer „Baukultur des Alltags“, basierend auf einer breiten interessierten Öffentlichkeit.
In der Diskussion soll der Frage nachgegangen werden, was eine „Baukultur“ heute überhaupt ausmachen könnte und welche Anforderungen an die Architektur, an die Architekturproduktion damit verbunden wären.
Susanne Hauser
Professorin am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der TU Graz, weitere biographische Angaben siehe oben.
Hermann Czech
Geboren in Wien. Student bei Konrad Wachsmann und Ernst A. Plischke. Ungleichartiges architektonisches und planerisches Werk; zahlreiche kritische und theoretische Publikationen zur Architektur. Zurzeit in Fertigstellung das Messehotel in Wien.
Harald Saiko
Freischaffender Architekt in Graz. Schwerpunkte Architektur / Stadtentwicklung und Infrastruktur / Kultur. Professionelle Tätigkeiten auch im Bereich Baucoaching und Architekturvermittlung, Partizipation und Prozesssteuerung. Mitglied des Kulturbeirats der Stadt Graz sowie des Vorstands der Architekturstiftung Österreich.
Roland Gnaiger
Professor und Leiter des Architekturstudiums an der Kunstuniversität Linz. Architekturbüro in Bregenz, zahlreiche Wohnbauten, öffentliche Bauten, städtebauliche Studien sowie Möbelentwürfe; regelmäßige Jurorentätigkeit und Mitgliedschaft in Gestaltungsbeiräten. Vielfältige Vermittlungstätigkeit, u. a. in der ORF-Sendereihe „Vorarlberg heute“, 1985-1993.