Bauvisite 9: Real Crime
Architektur, Stadt und Verbrechen
Bauvisite
13
May
REAL CRIME
Architektur, Stadt und Verbrechen
Grundsätzlich kann Architektur eine gewisse Schutzfunktion für die Bewohner nicht abgesprochen werden. In der Entwicklung von Siedlungsformen und Städten haben militärstrategische Aspekte der Verteidigung gegen Feinde von außen und der Aufrechterhaltung von Ordnung gegen Feinde von innen die Stadtgestaltung mitunter entscheidend mitbestimmt.
Als Arbeitshypothese wird behauptet, dass sogenannte "Verbrecher" eine bedeutende Produktivkraft für die Gesellschaft darstellen, weil sie zwar unbeabsichtigt und indirekt, aber doch neben der
Verbrechensberichterstattung auch alle Gegenmaßnahmen selbst mitentwickeln (Marx). In Bezug auf die Architektur bedeutet das theoretisch die heute existierende Sicherheitstechnik und alle baulichen und städtebaulichen Strategien der Verbrechensprävention, des Überwachens und Strafens (Foucault).
Eine These von Martin Pawley besagt, dass große zentrale innerstädtische Repräsentationsarchitekturen - weil einfach angreifbar und daher ein großes finanzielles Ausfallsrisiko - zusehends von einer Streuung der Baukörper in den Vororten und deren Vernetzung mit neuen Medien verdrängt werden. Dem Verbrechen bleibt daher nichts anderes übrig, als dem Kapitalfluss in den Datenraum nachzufolgen...
Bezüglich des Wohnraumes ist nicht nur eine zunehmende Fortifikation einzelner Objekte, sondern ganzer Siedlungsstrukturen, sogenannter Gated Communities zu erkennen, die das Symptom eines Abgrenzungsbedarfs der gesellschaftsprägenden Mittelschicht von einer bedrohlich empfundenen Umwelt darstellen. Der Wunsch nach dem gesuchten, Sicherheit versprechenden und auf Konsens beruhenden sozialen Raum scheint so stark, dass darüber Qualitäten des öffentlichen Raumes und grundlegende politische Rechte leichtfertig über Bord geworfen werden, wie beispielsweise in Celebration, dem vom Disney-Konzern entwickelten Wohnprojekt. Schengen repräsentiert in diesem Kontext eine europäische Mega-Celebration, allerdings mit smarteren, aber nichtdestotrotz wirksamen Zugangsbeschränkungen. Vermeintliches Verbrechen argumentiert die Ein- und Ausschlüsse, deren bauliche Repräsentationen aber auch die Härte der staatlichen Maßnahmen.
Samstag, 13. Mai 2000
13.00 Uhr Architekturexkursion
Abfahrt mit Bus vom Depot, Museumsquartier, 1070 Wien
Ringstraße und ihre Bauten als Beispiel von Disziplinierungsarchitektur; Redesign des Gürtels als ehemalige "Demarkationslinie" zwischen Proletariat und Bourgoisie; Olof Palme Hof als Tatort eines Mädchenmordes; Vienna Airport - die sicherheitstechnisch komplexeste Aufgabe in Wien.
19.00 Uhr Samstagabend-Show
Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste (ehem. Semperdepot), Lehargasse 8, 1060 Wien
Live: Max Edelbacher (Leiter des Wiener Sicherheitsbüros), Fritz Ostermayer und Thomas Edlinger (Journalisten), Wolfgang Maderthaner (Historiker), Georg Seesslen (Filmtheoretiker). Via Video: Neil Smith (Geograph), Ralph Rugoff (Kunsthistoriker und Kurator).
Mike Davis (Stadtjournalist aus Los Angeles) hat leider aus politischen Gründen abgesagt.
PUBLIKATION:
Michael Zinganel (Hg.), REAL CRIME - Architektur und Verbrechen, edition selene, Wien
Eintrittspreise: Busexkursion für Mitglieder der ÖGFA gratis, regulär ATS 90,- / Studierende ATS 50,-.
Architektur, Stadt und Verbrechen
Grundsätzlich kann Architektur eine gewisse Schutzfunktion für die Bewohner nicht abgesprochen werden. In der Entwicklung von Siedlungsformen und Städten haben militärstrategische Aspekte der Verteidigung gegen Feinde von außen und der Aufrechterhaltung von Ordnung gegen Feinde von innen die Stadtgestaltung mitunter entscheidend mitbestimmt.
Als Arbeitshypothese wird behauptet, dass sogenannte "Verbrecher" eine bedeutende Produktivkraft für die Gesellschaft darstellen, weil sie zwar unbeabsichtigt und indirekt, aber doch neben der
Verbrechensberichterstattung auch alle Gegenmaßnahmen selbst mitentwickeln (Marx). In Bezug auf die Architektur bedeutet das theoretisch die heute existierende Sicherheitstechnik und alle baulichen und städtebaulichen Strategien der Verbrechensprävention, des Überwachens und Strafens (Foucault).
Eine These von Martin Pawley besagt, dass große zentrale innerstädtische Repräsentationsarchitekturen - weil einfach angreifbar und daher ein großes finanzielles Ausfallsrisiko - zusehends von einer Streuung der Baukörper in den Vororten und deren Vernetzung mit neuen Medien verdrängt werden. Dem Verbrechen bleibt daher nichts anderes übrig, als dem Kapitalfluss in den Datenraum nachzufolgen...
Bezüglich des Wohnraumes ist nicht nur eine zunehmende Fortifikation einzelner Objekte, sondern ganzer Siedlungsstrukturen, sogenannter Gated Communities zu erkennen, die das Symptom eines Abgrenzungsbedarfs der gesellschaftsprägenden Mittelschicht von einer bedrohlich empfundenen Umwelt darstellen. Der Wunsch nach dem gesuchten, Sicherheit versprechenden und auf Konsens beruhenden sozialen Raum scheint so stark, dass darüber Qualitäten des öffentlichen Raumes und grundlegende politische Rechte leichtfertig über Bord geworfen werden, wie beispielsweise in Celebration, dem vom Disney-Konzern entwickelten Wohnprojekt. Schengen repräsentiert in diesem Kontext eine europäische Mega-Celebration, allerdings mit smarteren, aber nichtdestotrotz wirksamen Zugangsbeschränkungen. Vermeintliches Verbrechen argumentiert die Ein- und Ausschlüsse, deren bauliche Repräsentationen aber auch die Härte der staatlichen Maßnahmen.
Samstag, 13. Mai 2000
13.00 Uhr Architekturexkursion
Abfahrt mit Bus vom Depot, Museumsquartier, 1070 Wien
Ringstraße und ihre Bauten als Beispiel von Disziplinierungsarchitektur; Redesign des Gürtels als ehemalige "Demarkationslinie" zwischen Proletariat und Bourgoisie; Olof Palme Hof als Tatort eines Mädchenmordes; Vienna Airport - die sicherheitstechnisch komplexeste Aufgabe in Wien.
19.00 Uhr Samstagabend-Show
Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste (ehem. Semperdepot), Lehargasse 8, 1060 Wien
Live: Max Edelbacher (Leiter des Wiener Sicherheitsbüros), Fritz Ostermayer und Thomas Edlinger (Journalisten), Wolfgang Maderthaner (Historiker), Georg Seesslen (Filmtheoretiker). Via Video: Neil Smith (Geograph), Ralph Rugoff (Kunsthistoriker und Kurator).
Mike Davis (Stadtjournalist aus Los Angeles) hat leider aus politischen Gründen abgesagt.
PUBLIKATION:
Michael Zinganel (Hg.), REAL CRIME - Architektur und Verbrechen, edition selene, Wien
Eintrittspreise: Busexkursion für Mitglieder der ÖGFA gratis, regulär ATS 90,- / Studierende ATS 50,-.