Moderat Modern – Erich Boltenstern und die Baukultur nach 1945
Kuratorinnenführung
AusstellungErich Boltenstern war eine der zentralen Figuren der Wiener Architekturszene. Aus dem Umkreis von Oskar Strnad und Clemens Holzmeister kommend, war Boltenstern einer spezifisch wienerischen Moderne verpflichtet, für die der Umgang mit Bestehendem und das Reagieren auf lokale Gegebenheiten Teil des architektonischen Konzepts war. Sein 1935-36 realisiertes Kahlenberg-Restaurant war einer der wenigen im Sinne der Moderne gelösten größeren Bauten im Wien der Zwischenkriegszeit.
Boltenstern verstand es, die Grundprinzipien der Wiener Moderne einer konsensfähigen Hybridisierung zu unterziehen, was ihm besonders in den fünfziger Jahren große Aufträge wie den „Ringturm“ für die Wiener Städtische Versicherung, Wohn- und Bürobauten für die Österreichische Nationalbank und den Wiederaufbau der Wiener Staatsoper einbrachte. Damit wurde er auch zum letzten Wiener Ringstraßenarchitekten. Der 1955 eröffnete Ringturm wurde zum Symbol eines aus Ruinen erstandenen neuen Wiens. Als einer der wenigen modernen Wiener Architekten, die nicht emigriert waren und sich dennoch im Nationalsozialismus nicht kompromittiert hatten, führte Boltenstern die Vorkriegstradition der Wiener Moderne und internationale Strömungen der Gegenwart zu einer Synthese, die das offizielle Österreich des Wiederaufbaus adäquat repräsentierte.
Die unaufgeregte Architektur Boltensterns und seiner Zeitgenossen fand in der Forschung bislang wenig Beachtung. Viele Gebäude wurden in ihrem Erscheinungsbild stark verändert oder überhaupt abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Erst jetzt werden die spezifischen Qualitäten dieser in der Ausstellung im Wien Museum erstmals präsentierten Bauten im Wertekanon der österreichischen Architekturgeschichte erkannt.