Wohnbau Colerusgasse
Martin Feiersinger; 1998; WM1220 Wien, Colerusgasse 30, GrosserwegOpen House: 15.00 – 19.00 hTours: 16.00, 17.30 h
ArchitekturtageErreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln / Dostupnost prostredníctvom MHD: Autobus 26A Haltestelle (zastávka) Eßling Schule
Es führt der Architekt! / Sprevádza architekt!
Besichtigt werden: Eingangsvorbauten, Laubengänge, Freibereiche.
Kapazität / Kapacita: ca. 20 Personen / osôb
Daß mit der Länge des Weges vom Wettbewerbsprojekt zum ausgeführten Bau die Menge der zu leistenden Abstriche steigt, ist nichts Neues. Um so erfreulicher, wenn der erzielte Kompromiß dann kein fauler ist.
Aus dem internationalen Ideenwettbewerb EUROPAN 2 ging 1991 für den Standort Wien-Eßling der Vorschlag von Architekt Martin Feiersinger als Siegerprojekt hervor. Feiersinger stellte seinen Beitrag unter das Motto "Stadtgärten" und variierte das Thema anhand von drei Bebauungstypen. Zum dörflichen Kern Eßlings hin sah der Wettbewerbsbeitrag eine dichte, zweigeschossige Bebauung mit innenliegenden begrünten Freiräumen vor. Südlich davon, zum Grünland hin, überlegte Feiersinger einen Teppich aus flachen Doppelhäusern mit Gartenhöfen. Als Randbebauung im Langen Garten, dem ehemaligen Garten des Eßlinger Jagdschlosses, schlug er eine Abfolge von acht dreigeschossigen Laubenganghäusern auf Stelzen vor, unter denen der Park durchfließen sollte.
Im Jahr 1992 erstellte die Stadt Wien einen Bebauungsplan und vergab das Grundstück an mehrere Bauträger. Einen Teil der Flächen übernahm die Stadt Wien selbst und beauftragte gleichzeitig den Wettbewerbssieger mit der Planung eines Bauteils. Umgesetzt wurden vier Riegel der Stelzenhäuser mit je vierzig Meter Länge. Gegenüber dem Wettbewerbsprojekt mußten in der Planung Zugeständnisse an Wohnbauförderung und stadtplanerische Vorgaben gemacht werden. So wichen zum Beispiel die Stützen einem massiven Sockel. Feiersinger interpretierte die Sockelzone nun als hochgezogenes Fundament und thematisiert den Zwischenraum, der durch die Wegführung und die Anordnung von pavillonartigen verglasten Eingangsbaukörper besonders inszeniert wird. Jedes der vier Objekte umfaßt zwölf Wohneinheiten mit 66 und 71 Quadratmeter Wohnfläche. Mit Laubengängen im Norden und sonnigen Terrassen an der Südseite verfügt jede Wohnung über Freibereiche an zwei Seiten. Zu den Laubengängen hin liegen jeweils die Küchen sowie die Sanitärräume, wobei diese – ein kleines Manko – kein natürliches Licht erhalten. Die Küchen sind zu den Wohnräumen hin offen, wodurch in diesen Bereichen Licht und Aussicht nach zwei – bei Eckwohnungen sogar nach drei – Himmelsrichtungen gegeben sind.
Trotz einfachster Grundrißzuschnitte und größtmöglicher Gleichwertigkeit aller Wohnungen fand Martin Feiersinger zu einigen unterschiedlichen Varianten, die auf zwei Grundtypen beruhen. Allen gemeinsam ist, daß aus sämtlichen Zimmern Fenstertüren auf die Balkone führen. Die Schlichtheit der Bauten wird durch die feinfühlig modulierten Grau- und Weißtöne unterstützt. Manche Materialien bleiben in ihrem Rohzustand erhalten. Andere erfahren durch Anstriche, die kaum von den Materialfarben abweichen, farbliche Korrekturen, die der Harmonie des Erscheinungsbildes sehr zuträglich sind.
Die Planungsaufgabe des städtischen Sozialwohnbaus mit seinen beschränkten Möglichkeiten hat natürlich etliche qualitative Abstriche in der Ausstattung erzwungen wie z.B. in den Proportionen der Innentüren. Im Gegensatz zu manchen benachbarten Bauten, an denen mit bemühten Behübschungsversuchen an den Fassaden offenbar Wohnqualität suggeriert werden soll, heben sich die schlichten Riegel Martin Feiersingers in ihrer gepflegten Normalität wohltuend ab.
Text im Standard vom 13. 12. 1997
"Stadtgärten – was davon übrigblieb" / Franziska Leeb