Österreichische Gesellschaft für Architektur
Über die Österreichische Gesellschaft für Architektur: Ziele, Aktivitäten, Vereinsgeschichte.
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Am Abend des 15. Mai 1965 waren Maria (Biljan-Bilger, Anm.) und ich zusammen mit Johannes Spalt und seiner Frau Rosetta sowie mit Viktor Hufnagel und seiner Frau Grete bei Wolfgang und Traudl Windbrechtinger in ihrer Atelierwohnung in der Badhausgasse hinter der Neulerchenfelder-Kirche eingeladen. Dort trug ich die Idee zur Gründung einer "Österreichischen Gesellschaft für Architektur" vor. Windbrechtingers und Hufnagel waren begeistert; Spalt mindestens skeptisch, eigentlich ablehnend.
In Hochstimmung, gedämpft nur durch Spalt, wurde von allen eine bessere Zukunft für das Architekturgeschehen beschworen. Die Ideen flogen. Es gärte.
Zwei Monate später, am 15. Juni, anlässlich der Ausstellung "Wittmann - Interieur" im Palais Palffy, die Spalt und ich machten, sprach ich Sokratis Dimitriou mit dem Plan der Gründung einer Architekturgesellschaft an. Dimitriou war damals Leiter der Zeitschrift "bauforum". Auch er fand dieses Vorhaben für gut und richtig und war bereit zur Mitarbeit.
In der Zwischenzeit hatte ich schon mit Friedrich Achleitner diese Idee gewälzt - auch er war dafür. Achleitner schrieb seit 1960 Architekturkritiken - damals schon in "Die Presse". Sein besonders ausgeprägt abwiegendes Urteil (er ist im Sternbild ja "Waage" - Zwischenruf Barbara Achleitner: "Zwilling!", ich darauf: "dies ist das gleiche . . . ZWEI" (am ausgewogenen Waagbalken)) ist bekannt. Sein Urteil war daher Stichprobe für die Richtigkeit des Vorhabens.
Am 17. Juni 1965 machten wir in der gleichen Besetzung, wie in der Badhausgasse (plus Dimitriou und seiner Frau Edith) einen Ausflug nach Heiligenkreuz, Lilienfeld, Hohenberg, Gutenstein - und wieder wurde die Gründung besprochen.
Das bisher geschilderte bedarf einer Vorgeschichte: Schon seit 1962 kannte ich Wolfgang Gleissner, einen damals jungen Juristen, der besonders architekturinteressiert war. Wir trafen uns einige Male im Caféhaus, um über die Misere der Architektur in Österreich zu lamentieren. Im Herbst 1964 wies Gleissner im Gespräch auf die junge "Österreichische Gesellschaft für Literatur" hin - so etwas müsse es für die Architektur auch geben.
Es gärte.
Jüngste damalige Ereignisse der Baukultur, beziehungsweise Unkultur, auch der katastrophale Umgang mit wertvoller Bausubstanz, etwa die bereits eingesetzte Abbruchkette von Otto Wagners Stadtbahnstationen (Braunschweiggasse, Hietzing, später dann Meidlinger Hauptstraße; beinahe hätte es auch noch die Karlsplatzstationen erwischt) führten zu Ohnmacht und Lähmung.
Der Abbruch der Rauchfangkehrerkirche auf der Wiedner Hauptstraße schließlich, brachte das Fass zum Überlaufen. Die barocke Rauchfangkehrerkirche wurde besetzt (darüber gibt es einen Amateurfilm); eine Abordnung (die Architekten Wolfgang Windbrechtinger und Eugen Wörle und der Bildhauer Wander Bertoni) wurde beim Kulturstadtrat Mandl vorstellig, um zu erwirken, den Abbruch abzubrechen. Vergeblich. Auch der Kirche war die alte Kirche wurscht.
Diese sich häufenden Kulturlosigkeiten und die aussichtslose Situation mit zeitgenössischer Architektur an die besten Leistungen der Jahre 1900 bis 1934 anzuschließen, waren weitere Gründe für ein neues FORUM. Die schlechte Situation der fünfziger- und sechziger Jahre betraf aber nicht nur Wien, sondern auch alle anderen Bundeshauptstädte und österreichischen Bundesländer.
Daher: "Österreichische Gesellschaft für Architektur"!
Dazu kamen noch untergeordnete Gründe:
Seit 1957 wurde die Architektenkammer zur Pflichtvereinigung für Architekten. Seither ist ARCHITEKT kein Beruf mehr, sondern Stand.
Die standeseigenen - und standespolitischen Themen wurden somit der alten "Zentralvereinigung der Architekten" der "ZV" weggenommen. Blieben noch die, mit kultureller Thematik verbundenen Aufgaben. Da diese aber nicht nur Architekten betreffen, sondern alle an Architektur beteiligten, Interessierten, darunter leidenden,...etc. geht es also um ARCHITEKTUR.
Daher keine neue Architektengesellschaft, sondern eine Gesellschaft für Architektur: "Österreichische Gesellschaft für Architektur".
Wie ging es weiter?
Am 28. August 1965 (einen Tag nach Le Corbusiers Ertrinkungstod) fand ein erstes Treffen im Café Landtmann statt.
Am 2. und 9. September wurden Vereinsstatuten formuliert, dann von Wolfgang Windbrechtinger eingereicht und am 15. Oktober von der Vereinsbehörde bereits genehmigt.
Am 9., 16., 17. und 22. September wurden gemeinsam die ZIELE DER ÖSTERREICHISCHEN GESELLSCHAFT FÜR ARCHITEKTUR formuliert, die ich am Schluss wiedergebe. Es konnte also beginnen.
Privatbemerkung:
Von 27. September bis 7. November 1965 befand ich mich mit Maria auf einer 6-wöchigen Türkeireise. Am 4. November lese ich in Istanbul in der Wiener "Wochenpresse" über die bevorstehende Gründung einer "Österreichischen Architekturgesellschaft" - es blieb also doch nicht so dicht, wie wir uns vorgenommen hatten.
Wieder in Wien:
Am 12. November fand in der Wohnung Hufnagl in der Mariahilferstraße die "konstituierende Generalversammlung" statt.
Gründungsmitglieder waren (in alphabetischer Reihenfolge):
Friedrich Achleitner (geb. 1930), Architekturkritiker
Maria Biljan-Bilger (geb. 1912), bildende Künstlerin
Sokratis Dimitriou (geb. 1919), Architekturhistoriker
Wolfgang Gleissner (geb. 1930), Jurist
Viktor Hufnagl (geb. 1923), Architekt
Friedrich Kurrent (geb. 1931), Architekt
Traude Windbrechtinger (geb. 1923), Architektin
Wolfgang Windbrechtinger (geb. 1923), Architekt
Mit Ausnahme von Frau Windbrechtinger bildete dieser Personenkreis auch den ersten Vorstand (nach den Statuten sollten das mindestens fünf, höchstens neun Personen sein, die für drei Jahre zu wählen waren). Von den sieben Vorstandsmitgliedern wurde zuerst Dr. Gleissner zum Vorsitzenden gewählt; wenig später erklärte er, dass er dies doch nicht machen könne. Dimitriou wurde zum Vorsitzenden gewählt; blieb dies die erste 3-Jahres-Periode und noch ein Jahr der zweiten (also von 1965 bis 1969). Darauf folgte 1970 Wolfgang Windbrechtinger, 1971 ich selbst (wir hatten ab 1970 einen einjährigen Vorsitzwechsel eingeführt). Nach dem gewünschten Ausscheiden von Dr. Gleissner, 1966, wurde der Unfallchirurg Dr. Johannes Poigenfürst (geb. 1927) in den Vorstand gewählt.
In mehreren Sitzungen (12.11.65, Wohnung Hufnagel, Mariahilferstraße; 19.11.65, Büro Windbrechtinger in Hietzing; 26.11.65, das erste Mal im Vereinslokal Blutgasse) wurden etwa 50 weitere Mitglieder gewählt und daraufhin zum Beitritt eingeladen. Die Wahl musste statutengemäß einstimmig sein.
Mitte 1966 zählte die Architekturgesellschaft bereits etwa 150 Mitglieder (darunter je ein kooptiertes Vorstandsmitglied in jedem Bundesland).
Schon am 8. November 1965 besichtigten wir das ebenerdige Lokal im Durchgang von der Blutgasse; Windbrechtinger hatte es über die EKAZENT aufgetrieben. Aus billig zum Verkauf angebotenen Beständen des im Abbruch befindlichen Diana-Bades holten wir die Einrichtung.
Am 3. Dezember 1965 war die Eröffnung des sanierten Blutgassenviertels in der inneren Stadt. Wir sperrten auf; eine kleine Ausstellung zeigte Originalzeichnungen von Wagner, Hoffmann, Olbrich, Holzmeister, Plischke und Rainer.
Blutgasse 3/V, Wien I., war ab nun der Sitz der "Gesellschaft" ("G`sellschaft" oder "ÖGfA" waren die beiden Kurzformeln, die sich eingebürgert hatten). Dort fand bis zur Übersiedelung 1972, in das neue Vereinslokal Liechtensteinstraße 46A im 9. Bezirk, also in den ersten sieben Jahren, Vieles statt.
Die erste öffentliche Veranstaltung der "Österreichischen Gesellschaft für Architektur" war die "Josef Frank - Ausstellung" vom 18. Dezember 1965 bis 29. Jänner 1966.
Spalt und ich hatten sie in einer zweiwöchigen Stachanowarbeit auf die Beine gestellt.
Privatbemerkung:
Übrigens derselbe Spalt, aber nicht der gleiche. Seit damals nannte ich Spalt "negatives Vorstandsmitglied".
Franks Werk war auf zwölf Fototafeln komprimiert dargestellt; dazu wurden Möbel und Einrichtungsgegenstände im Original gezeigt.
Zur Vorgeschichte, Frank betreffend:
Der 80. Geburtstag von Josef Frank (geboren am 15. Juli 1885 in Baden bei Wien) gab Anlass für eine längst fällige Ehrung des 1934 (!) nach Schweden emigrierten - nach Loos und Hoffmann wohl wichtigsten Wiener bzw. österreichischen Architekten - zu sorgen.
Spalt und ich haben dies über unseren Lehrer Clemens Holzmeister erreicht, der damals Präsident des "Österreichischen Kunstsenats" war und dort Frank für die höchste Auszeichnung, den "Österreichischen Staatspreis für Architektur", vorschlug.
Zwischenbemerkung:
Als wir Holzmeister das Exposé über Frank überreichten und ihn fragten, wie er mit Frank ausgekommen sei, brummte er: "Der war mir sehr feindlich gesinnt".
Im Unterrichtsministerium am Minoritenplatz fand die Ehrung statt. Frank war leider aus Krankheitsgründen nicht in der Lage nach Wien zu kommen; Frau Eisenkolb, seine Wiener Verwandte, hat ihn vertreten. Roland Rainer hielt die Laudatio.
Anschließend trat die ÖGfA eben mit der Josef Frank - Ausstellung ins Leben.
Frank hat dies sehr gefreut; dies hat er uns brieflich kundgetan.
1967 hat er den "Josef Frank - Stipendienfonds" gegründet. Die ÖGfA ist dabei beauftragt "Studenten der Architektur" (heute müsste man "Innen" anfügen) oder "junge österreichische Architekten" (heute müsste man "Innen" anfügen) für ein Reisestipendium nach Schweden namhaft zu machen.
Seither fahren jährlich mit Stipendiengeld ausgerüstet junge Leute nach Schweden.
Josef Frank wurde das 1. Ehrenmitglied der ÖGfA.
Am 8. Jänner 1968 ist er in Stockholm gestorben.
Die hier aus Kalendernotizen, Aufzeichnungen und aus meiner Erinnerung hervorgeholten Fakten der Gründungsgeschichte der ÖGfA müsste jetzt jeder/jede der sieben bzw. acht beteiligten Gründungsväter und -mütter erzählen, eine Geschichte, die, wie in "Rashomon" dieselbe, vielleicht aber nicht die gleiche wäre.
Über die Österreichische Gesellschaft für Architektur: Ziele, Aktivitäten, Vereinsgeschichte.
weiterlesen …Die Ziele der österreichischen Gesellschaft für Architektur "Die Architektur ist eine das Leben und die Umwelt des Menschen entscheidend beeinflussende Realität. Diese Tatsache steht in krassem Gegensatz zu der Beiläufigkeit, mit der die Fragen des Bauens und der Architektur in der Öffentlichkeit behandelt werden..."
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