Ehrenmitgliedschaft Anton Schweighofer
Am 27. Juli 2019 wurde dem langjährigen ÖGFA-Mitglied Anton Schweighofer die ÖGFA-Ehrenmitgliedschaft verliehen.
Auszüge aus Otto Kapfingers Rede bei der Ausstellungseröffnung
Anton Schweighofer zum 80er
Galerie Göttlicher, Krems-Stein
28. Jänner 2011
Aldo Van Eyck, mit dem Anton Schweighofer seit 1959 bekannt und dann gut befreundet war, formulierte: „Cities can only be human if they are also designed for children. If they are not meant for children, they are not meant for citizens either. If they are not meant for citizens – ourselves – they are not cities. (...) A house is like a small city, if it’s to be a real house – a city is a large house, if it’s to be a real city. (...) Space is behind and beyond the eyes ...“
Solche Sätze treffen auch präzise die Qualitäten und die Haltung, die wir im Werk von Anton Schweighofer finden. Ob bei seinen Kindergärten, Wohnanlagen, Krankenhäusern, Bildungsbauten, Altenheimen – sein Ansatz basiert immer auf den verhaltenspsychologisch kleinsten bzw. adäquaten Einheiten, ausgehend vom gegenseitigen Raumgeben in einer individuellen Begegnung, einer informellen oder konkreten Dialogsituation. Im Gegensatz zu dem an maschinellen Abläufen orientierten Reihungen von „Flächen-Minimierungen“ im orthodoxen Funktionalismus – ist dies eine anthropozentrische, raumgerichtete Methode, entwickelt von der Spannung des einfachen Gegenübers, über die offene Handlungsmitte kleiner Gruppensituationen, bis zu den öffentliche Platzräume fassenden und generierenden Clustern großer Baugruppierungen.
Schweighofers genetisches Bauprinzip ist das Muster „Raum im Raum im Raum im Raum“ – wie bei den Russischen Puppen – und nicht nur in der Fläche, horizontal gedacht, sondern auch in der dritten Dimension, vertikal-räumlich: Stadt als Haus, Haus als Stadt, Haus als Weg und Platz (das Motto von Josef Frank), Wohnung als Haus-Körper mit Zellen, Wegen, Übergängen, Plätzen, Licht von oben ...
Vom Kleinen bis zum ganz Großen bietet seine Architektur immer potentielle Räume der handelnden, kommunizierenden Gemeinschaft – durch gestaltete "Gemeinschaft der Räume." Es ist eine auf die Handlungsmuster des Individuellen bzw. der Gruppen gerichtete Baukunst, eine handlungsorientierte, das Zueinander nicht als Zwang sondern als angebotene Freiheit fördernde Raumstrategie, die auch das Einzelne sorgsam sichert, es aber immer in dosierte, leicht konkretisierbare Beziehung zur größeren Einheiten setzt.
Ganz allgemein gesagt: Es gibt Architektur, deren Schönheit sich primär in sich selbst darstellt; sie ist gegenüber dem Gebrauch eher misstrauisch; das meiste, was die Leute darin und damit tun, stört ihre Harmonie – wir denken an das bekannte Wort von Adolf Loos über die perfekten Villen von Hoffmann. Und es gibt Architektur, die den Gebrauch eindeutig liebt, auch den unordentlichen, – eine Baukunst, deren Schönheit nicht allein im Objekthaften liegt, sondern im erfahrenen und genutzten Raum – und in dem Ausmaß, in dem der Raum körperliche und soziale Ereignisse stimulieren kann, begünstigen kann, zulassen kann.
Bruno Taut sagte: „Wie die Räume ohne Menschen aussehen, ist gleichgültig. Wichtig ist, wie die Menschen darin aussehen.“
Und zwei Wiener, kontemporäre Geistesverwandte Schweighofers, Ottokar Uhl und Herbert Muck, erklärten sinngemäß : „Räume, Formen bedeuten das, was in Bezug auf sie gemacht werden kann. (...) Die Ästhetik der wahren Moderne ist handlungsorientiert. Die Vorform, die Wirkungsform der Raumgestalt ist die soziale Gestalt, also jene Handlungsmuster von Gruppen oder Einzelnen, welche Räume und Raumfolgen strukturieren, bedeutsam machen.“
Man hat Schweighofer den „Stillen Radikalen“ genannt – wie auch immer – , ich würde eher sagen: Radikal ist er, weil er immer an die Radix geht, an die Wurzel, an die handlungsorientierte, soziale Wurzel jeder Bauaufgabe; und still ist seine Baukunst nur insofern, als sie nicht laut nur von sich selbst spricht, sondern die Menschen eher anregt, im Raum selbst zu sprechen, sich einzurichten. Bei all dem gibt Schweighofer aber die gestalterischen Zügel nicht aus der Hand, im Gegenteil, er schafft die soziale Dimension, die Berührbarkeit und Freiheit seiner Räume mittels der rationalen Sinnlichkeit ihrer Formgebung. Und wie bewältigt er dieses Paradoxon, einerseits räumliche Freiheit, Zwanglosigkeit zu eröffnen, andererseits doch die klar dosierte, geformte Präsenz der Baustruktur? Es liegt wohl, wie er selbst oft anmerkte, auch darin, dass er praktisch jeden Raum im Grunde auch als eine „Werkstatt“ versteht – ob Wohnraum, Küche, Kindergarten, Hörsaal, Festsaal, Pflegeraum.
Wir haben anfangs von Van Eyck gehört: bei ihm ist es doch so, meine ich, dass mehr denn je sein Frühwerk fasziniert und heute wiederentdeckt wird. Bei Schweighofer ist es anders, er sucht und findet auch in seinem „Spätwerk“ den Kraftschluss mit dem ganz Gegenwärtigen, er geht da nochmals in eine neue Dimension, wird noch „radikaler“ – nehmen wir nur das Projekt für die „Arktis-Station“, das „Studentenheim“ und das „Geriatriezentrum“ in Wien, sein eigenes „Haus in Wördern“, ein höchst bemerkenswertes Haus, das der Summe seiner Bau- und Lebenserfahrung Form gibt, und sein visionäres Projekt für die Landeshauptstadt St. Pölten ...
Otto Kapfinger